Stunde der Moralisten schlägt in Iowa

Stunde der Moralisten schlägt in Iowa
Im Herzen Amerikas startet der Marathon für die US-Präsidentschaftswahl. Ein Medienspektakel zwischen Kirche und Scheune.

Wer wird Barack Obamas Herausforderer? Im Kampf um die Kandidatur der Republikaner für die US-Präsidentschaft richten sich am Dienstagabend alle Augen, Ohren und vor allem Kameras auf einen unscheinbaren Ort: Iowa, ein Bundesstaat im Herzen Amerikas. Unter reger Anteilnahme von Journalisten werden im Rahmen eines „Caucus“ (siehe unten) in Iowas Schulen, Bibliotheken, Kirchen und manchmal sogar Wohnzimmern deklarierte Republikaner ihren Favoriten wählen. Die Ergebnisse sind unverbindlich, werden aber als Signal dafür gewertet, wer ins Weiße Haus einziehen wird, sollte Obama die Wiederwahl am 6. 11. 2012 nicht schaffen.

Medienspektakel

Aber trotz des großen Interesses ist diese Abstimmung nur der Auftakt eines langen Prozesses. Warum also die große Aufregung um Iowa? Zum einen, weil Iowa mit seinem „Erster in der Nation“-Status ein Testgelände für die Kandidaten darstellt. „Es sorgt für eine Art Filterungsprozess“, sagt Mack Shelley, Politikwissenschaftler an der Iowa State University, dem KURIER.

Alle vier Jahre werden eine Menge Geld und sehr viel Zeit dafür aufgebracht, potenzielle „Caucus“-Wähler persönlich anzusprechen und in Werbespots zu überzeugen. Da Obama bei den Demokraten für die Wahl bereits fix ist, steht dieses Jahr deutlich im Zeichen der Republikaner. Laut dem Des Moines Register, der größten Zeitung Iowas, haben republikanische Kandidaten und ihre Geldgeber allein im Dezember zehn Millionen Dollar für Fernseh- und Radio-Werbung ausgegeben.

Auch unmittelbar vor den „Caucuses“ bleibt aber unklar, wer dieses Mal die Spitzenplätze belegen wird. Ein politisches Sprichwort besagt, dass „die Top 3 ein Wegfahr-Ticket aus Iowa lösen“. Es geht also nicht unbedingt ums Gewinnen, sondern darum, die Erwartungen zu übertreffen.

Die letzten Umfragen zeigen ein enges Rennen zwischen Mitt Romney, einem ehemaligen Gouverneur von Massachusetts und Wall-Street-nahen Geschäftsmann, und Ron Paul, einem Gynäkologen, der bereits ein Dutzend Mal für den Staat Texas in den Kongress gewählt worden ist. Beobachter attestieren ihm die beste Organisation vor Ort und eine überraschend junge Gefolgschaft.

Experten sind mit eindeutigen Prognosen aber vorsichtig. Zu groß war bisher die Schwankungsbreite der Umfragewerte. Fast alle Kandidaten erlebten in den vergangenen Monaten Höhenflüge, denen nur kurz darauf der Absturz folgte. Bewerber wie der Texaner Rick Perry sind nach Kurzzeit-Höhenflügen jäh abgestürzt und seither gerade noch unter ferner liefen zu finden.

Um sich keine Blößen zu geben, konzentrieren sich die Fachleute stattdessen auf das Profil der republikanischen „Caucus“-Geher. „Die Teilnehmer sind wesentlich konservativer als das Land insgesamt und auch fast garantiert ein ziemliches Stück konservativer als der durchschnittliche Republikaner“, meint Professor Mack Shelley.

Viele der republikanischen Wähler in Iowa sind evangelikale Christen. „Für diese sind Integrität und Moral zentrale Anliegen“, fügt Larry Eskridge, Vize-Direktor des Institute for the Study of American Evangelicals am Wheaton College, in einem Interview mit dem KURIER hinzu. „Sie halten bei einem Kandidaten nach moralischer Führungskraft Ausschau.“

Das könnte Probleme für Newt Gingrich bereiten, der in den letzten Wochen auf nationaler Ebene im republikanischen Spitzenfeld lag und jetzt rasant an Schwungkraft verliert. Der Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses ist immerhin zweifach geschiedener Ehebrecher und katholischer Konvertit.

Geheimfavorit

Bob Vander Plaats, Präsident von „The Family Leader“, einer Gruppe erzkonservativer Christen, sprach sich jüngst für einen anderen Kandidaten aus, Rick Santorum. Der Vater von sieben Kindern und Ex-Senator von Pennsylvania ist ein glühender Abtreibungsgegner und lehnt Homo-Ehen strikt ab. Einige Analysten sagen ihm einen Überraschungserfolg voraus. In Umfragen stand Santorum sogar an dritter Stelle hinter Romney und Paul.

Für viele Kommentatoren ist aber die lahmende Wirtschaft und die Sorge über die Zukunft das viel maßgeblichere Thema für die Wähler als soziale Werte. 8,6 Prozent Arbeitslosigkeit und wachsende Verschuldung bedrohen vor allem den Mittelstand. „Es reicht bei Weitem nicht, aufzustehen und zu sagen: ,Hey, das Leben fängt mit der Zeugung an, und Schwule dürfen nicht heiraten‘“, bemerkt Simon Conway, ein Radiokommentator aus Iowa: „Jeder versteht, dass es um die Wirtschaft geht.“

Caucus: Palaver um die Kandidaten

Im Caucus – der Name stammt aus einer Indianersprache – diskutieren die lokalen Parteimitglieder über die Kandidaten und nominieren ihren Favoriten. Diese Art der Vorwahl findet in fünfzehn US-Bundesstaaten statt, nach ganz unterschiedlichen Regeln.

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