Streit um Entsorgung von 15.000 Bomben

Streit um Entsorgung von 15.000 Bomben
Das Aufspüren explosiver Kriegsrelikte ist teuer. Der Staat braucht nicht zu zahlen.

Zuletzt stand die Westbahn still. Hunderte Menschen saßen in den Zügen fest, als in Amstetten, NÖ, eine 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe geborgen wurde. ÖBB-Bauarbeiter hatten sie gefunden, der Entminungsdienst transportierte die gefährliche Fracht ab.

Was für Außenstehende höchst gefährlich aussieht, ist für die Experten des Bundeskriminalamtes Routine. "Wir bergen bis zu 30 Fliegerbomben pro Jahr", erzählt Willibald Berenda, Chef des Entschärfungs- und Entminungsdienstes.

Rund 15.000 Bomben, die bei den Luftangriffen im 2. Weltkrieg über Österreich abgeworfen wurden, sollen noch unter dem Erdreich schlummern. Zu tun gibt es also genug für die Beamten.

Zusammenlegung

Streit um Entsorgung von 15.000 Bomben

Zusammenlegung Sie blicken allerdings in eine ungewisse Zukunft. Denn geht es nach der Bundesregierung, sollen die Entminungsdienste des Innen- und des Verteidigungsministeriums zusammengelegt werden. Einsparungspotenzial in den kommenden Jahren: rund 500.000 Euro.

Bisher waren die beiden Einheiten selbstständig aktiv. Das Team des Innenministeriums war für die Entschärfung von Kriegsrelikten zuständig, die Sprengstoffexperten des Heeres für alle übrigen Fälle. Die Fusion sorgt nun für Zündstoff.

"Es gibt massive Widerstände", berichtet ein Insider dem KURIER. Zudem weiß noch niemand, wie die Fusion, die bis Anfang kommenden Jahres umgesetzt wird, funktionieren soll. "15 Mitarbeiter unserer Abteilung sind betroffen. Mehr wissen wir auch noch nicht", erzählt BKA-Sprecherin Silvia Strasser. Fest steht, dass sich Minister Norbert Darabos ein heißes Eisen ins Ressort holen wird.

Eine entscheidende Frage ist derzeit nämlich nur höchst unbefriedigend geklärt: Wer für die Bergung eines Weltkriegs-Blindgängers zahlen muss.

Der Bund übernimmt nur die Kosten für die Entschärfung einer Bombe, er finanziert aber nicht die Suche nach Kriegsrelikten und deren oft sehr aufwendige Freilegung. Diese bittere Erfahrung musste im Jahr 2006 eine Salzburger Supermarktkassiererin machen, die nach einer auf ihrem Grundstück vermuteten Fliegerbombe graben ließ.

Bereits die Suche nach dem explosiven Überbleibsel kostete 8000 Euro, die Freilegung weitere 73.200 Euro. Die Frau schloss sich damals einem Musterprozess an, den die Stadt Salzburg gegen die Republik führte: Denn auch die Stadt wollte die Kosten für das Aufspüren alter Fliegerbomben auf ihren Grundstücken nicht tragen.

Der Rechtsstreit zog sich durch alle Instanzen und endete erst 2011: Damals entschied der Verfassungsgerichtshof, dass der Bund nicht für die Suche und Freilegung aufkommen muss –, weil es dafür keine gesetzliche Bestimmung gibt.

Die Höchstrichter gaben darum an die Politik die Empfehlung ab, das rechtliche Vakuum rasch mit einem neuen Gesetz zu füllen. Der Staat – konkret ist das (derzeit noch) das Innenministerium – habe eine Verpflichtung zur Gefahrenabwehr. "Der Bund hat sich bislang nur abgeputzt. 66 Jahre nach Kriegsende ist jetzt das Parlament gefragt", kritisierte damals auch Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden.

25,7 Millionen Kilo Kriegsmaterial entsorgt

Langzeit- oder Verzögerungszünder sind bei englischen oder US-amerikanischen Fliegerbomben des 2. Weltkriegs die weitaus gefährlichste Zündart, mit der die Experten des Entschärfungsdienstes konfrontiert werden. Grund: Für die Einsatzkräfte ist nicht erkennbar, ob der Schlagbolzen noch gehalten wird oder schon ausgelöst wurde, der Sprengstoff aber nicht detonierte. "Einmal in drei Jahren entdecken wir eine derartige Bombe", erzählt Entschärfer-Chef Berenda. Die einzige Lösung ist oftmals nur eine Sprengung am Fundort mit weitreichenden Evakuierungsmaßnahmen.

Ansonsten werden die Fliegerbomben auf den nö. Truppenübungsplätzen Allentsteig und Großmittel "entsorgt". Das Gesamtgewicht der seit dem Jahre 1945 bis Ende 2011 geborgenen und vernichteten Kriegsrelikte liegt bei 25,7 Millionen Kilogramm.

Spitzenreiter unter den Bundesländern, in denen im vergangenen Jahr die größte Menge an hochexplosiver Munition beseitigt werden musste, ist Kärnten (6885 kg) gefolgt von Niederösterreich (6290 kg) und Wien (5165 kg).

Die tödliche Fracht, die Bomber im Zweiten Weltkrieg über Österreich abwarfen, wird in den meisten Fällen bei Bau- und Grabungsarbeiten in der Nähe von Bahnhöfen und Verkehrsknotenpunkten entdeckt.

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