Sorgfältig geplanter Irrtum bei S&P

Sorgfältig geplanter Irrtum bei S&P
Ein technischer Fehler bei der Ratingagentur S&P bringt das Fass zum Überlaufen. Ratingagenturen sollen an die kurze Leine genommen werden.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy muss vor Ärger wohl gesprungen sein wie das Rumpelstilzchen. Am Donnerstag um 9.57 Uhr New Yorker Zeit (15.57 Uhr MEZ) verschickte die Ratingagentur Standard & Poor's ein Mail mit der Überschrift "Downgrade" an einige Kunden. Der Inhalt: S&P hat Frankreich die Top-Bonität AAA aberkannt und die Kreditwürdigkeit des Landes zurückgestuft. Eineinhalb Stunden später kam von S&P ein weiteres Mail. Der Inhalt diesmal: Stimmt alles nicht, es handelt sich um einen "technischen Fehler", Frankreich habe natürlich weiterhin das Triple-A.

"Ziemlich schockierend" fand Frankreichs Finanzminister dieses Vorgehen, als er davon am Donnerstagabend erfuhr. Viel schärfere Worte kamen am Freitag aus Brüssel. Für EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, im Übrigen ein Franzose, handelt es sich um einen "schwerwiegenden Vorfall". Die Panne wiege umso schwerer, als die Lage auf den Finanzmärkten durch die anhaltende Schuldenkrise ohnehin explosiv sei.

Für Dienstag hat Barnier Vorschläge für strengere Regeln für Ratingagenturen angekündigt. Da werden auch Forderungen dabei sein, dass die umstrittenen Agenturen dafür haften, wenn sie grob fahrlässig oder vorsätzlich falsche Noten verteilen.
Dass Standard & Poor's tatsächlich nur ein technischer Fehler unterlaufen ist, ist schwer zu glauben. Die Agentur hatte Frankreich zwar schon vorgewarnt, dass das Triple-A wackeln könnte, wenn nicht schärfer gespart wird. Von einer baldigen Zurückstufung war noch keine Rede. Die Vorstufe vor einer Verschlechterung der Note ist in der Regel, dass der Ausblick auf "negativ" gesetzt wird, auch das ist noch nicht passiert. Warum gibt es dann bereits einen Downgrading-Text, der dann "irrtümlich" verschickt wurde?

Testballon

Hinter dem Irrtum könnte auch etwas ganz anderes stecken. Eine Theorie dazu: S&P könnte einen Testballon gestartet haben, wie die Finanzmärkte auf eine Zurückstufung der Bonität der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone reagieren. Als französische Staatsanleihen an Kurs verloren, aber auch die Aktienkurse an der New Yorker Wall Street absackten, wurde der Ballon flugs wieder eingeholt. Prompt stiegen die Kurse in New York auch wieder.

Eine weitere mögliche Variante: Vielleicht verschicken Ratingagenturen speziellen Kunden immer wieder Vorab-Informationen zu bevorstehenden Ereignissen, um ihnen einen Vorsprung zu verschaffen - was Insiderhandel bedeuten würde. Dieses Mal ist es halt publik geworden und musste daher umgehend als Panne deklariert werden.
Ganz abgesehen von allen Verschwörungstheorien: Die Ratingagenturen stehen in der massiven Kritik, weil sie über das Wohl und Wehe von Staaten entscheiden, ohne dabei wirklich transparent zu agieren. Wenn in zwei Wochen Moody's-Vertreter nach Wien kommen, um Österreichs Finanzlage unter die Lupe zu nehmen, werden sie wohl noch misstrauischer beobachtet werden als sonst.

Schlechtes Image noch weiter angekratzt

In der Finanzkrise 2008/'09 wurden die drei großen Ratingagenturen S&P, Moody's und Fitch als Mitschuldige am Ausbruch der Krise identifiziert. Sie hatten Papiere, hinter denen ganz schlechte US-Hypothekarkredite steckten, mit guten Bonitätsnoten versehen. Nun wird ihnen vorgeworfen, dass sie mit dem laufenden Zurückstufen der Kreditwürdigkeit von Euro-Staaten die Schuldenkrise in der Eurozone weiter verschärfen. Mancher wittert hinter diesem Vorgehen sogar System: Die USA wollen, dass der US-Dollar seine Vormachtstellung in der Welt der Währungen nicht verliert, und "patzen" daher gerne den Euro an. Die US-Ratingagenturen agieren dabei bereitwillig als Erfüllungsgehilfen. Europa will daher unbedingt eine eigene, unabhängige Ratingagentur etablieren.

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