Russland: Drakonische Strafen bei Protesten

Russland: Drakonische Strafen bei Protesten
Putin zeigt seine Muskeln: Wer demonstriert, soll hart bestraft werden - Medien sprechen vom "Polizeistaat", der Europarat übt Kritik.

Einen Monat nach der Rückkehr von Wladimir Putin in den Kreml werden die schlimmsten Alpträume seiner Gegner wohl wahr. Immer warnte Moskaus Opposition vor einem härteren Kurs, sollte der 59-Jährige wieder Präsident werden. Die Kremlpartei Geeintes Russland hat nach den beispiellosen Protesten gegen Putin, der seit mehr als zwölf Jahren an der Macht ist, nun das Versammlungsgesetz drastisch verschärft. Wer gegen Putin demonstrieren will, dem drohen künftig drakonische Geldstrafen oder gemeinnützige Arbeit bis zu 200 Stunden.

Zwar ließ Putin über seinen Sprecher mitteilen, dass er das im Parlament mit 241 der 450 Stimmen verabschiedete Gesetz noch prüfen wolle. Die Opposition macht sich allerdings keine Hoffnung, dass der Präsident das Gesetz kippt. Der frühere Geheimdienstchef hatte schon bei einem Treffen mit der EU-Spitze Anfang dieser Woche betont, dass es zivilisiertere Wege der Meinungsäußerung gebe. Er meinte damit etwa die neuen politischen Parteien.

Gerade die Opposition klagt seit langem über Druck und den fehlenden Zugang zu dem vom Kreml kontrollierten Fernsehen. Vor allem deshalb sind für viele unzufriedene Russen die Straßenproteste so wichtig. Das verschärfte Versammlungsgesetz aber schränkt das in der Verfassung garantierte Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit ein, wie auch der Chef des Menschenrechtsrats im Kreml, Michail Fedotow, sagt. Er fordert den Präsidenten zu einem Veto auf - und zu einem Regierungsgutachten.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft Russland Verstöße gegen internationale Verpflichtungen und Grundfreiheiten vor. Auch Putins Freund, der frühere Finanzminister Alexej Kudrin, kritisiert, das Gesetz verletze das Recht der Bürger auf freie und friedliche Versammlung. Die Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta schreibt, dies sei der endgültige Schritt in den Polizeistaat.

Warnung vor Bürgerkrieg

Vor einer Radikalisierung des Protestes im Untergrund warnt der Dumaabgeordnete Gennadi Gudkow von der Partei Gerechtes Russland. Putin habe den Kurs der Repression eingeschlagen. "Der Weg eines Anziehens der Daumenschrauben hat immer wieder zu Blut in Russland geführt. Das ist der Weg zu massenhaften Unruhen, zu einem Bürgerkrieg", tönte Gudkow in der Dumasitzung.

Gegner des Regelwerks sehen angesichts der in Russland berüchtigten Willkür und Korruption bei Polizei und Justiz die Gefahr, dass die neuen Regeln gegen alles und jeden nach Gutdünken angewendet werden können. Behinderung im Straßenverkehr, Schäden an Grünflächen oder das Tragen von Masken - vieles kann nun geahndet werden. Die Opposition befürchtet, das sich die Proteststimmung vieler Bürger aus Angst vor den Geldstrafen abkühlen könnte.

Bisher drohten vor allem Geldstrafen bis 2.000 Rubel (50 Euro) und Arreststrafen bis 15 Tage. Mit 300.000 Rubel liegt nun die höchste Geldstrafe für Privatpersonen 150 Mal so hoch wie bisher. Der Betrag übersteigt sogar das vergleichsweise gute Jahreseinkommen vieler Hauptstädter bei weitem. Organisationen drohen Strafen bis zu einer Million Rubel.

Die Befürworter verteidigen das Gesetz als Beitrag zur Ordnung und Sicherheit in Russland. Es seien auch viele Garantien für Demonstranten enthalten, betont Initiator Alexander Sidjakin von Geeintes Russland. Als wichtiges Ziel des Gesetzes gilt aber vor allem auch, neue Bilder von Massenfestnahmen und prügelnden Polizisten zu vermeiden. Diese Gewalt, fürchtet die Machtelite, könne die dringend nötigen Investoren verschrecken.

Europarat ist echauffiert

Im Europarat ist Kritik an der drastischen Einschränkung des Demonstrationsrechts laut geworden. Die am Mittwoch beschlossenen hohen Geldstrafen für Organisatoren und Teilnehmer verletzten das Meinungs- und Versammlungsrecht, erklärten die Russland-Berichterstatter der Parlamentarier-Versammlung des Europarats, der Schweizer Sozialist Andreas Gross und der ungarische Konservative György Frunda. Sie forderten den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, das Gesetz nicht zu unterschreiben.

Die Massendemonstrationen der vergangenen Monate hätten ein "Fenster" zur Stärkung der Demokratie in Russland eröffnet, betonten die beiden Abgeordneten. Diese Chance werde mit der Einschränkung des Demonstrationsrechts zunichte gemacht. Das auch in Russland heftig umstrittene Gesetz sieht Geldstrafen von umgerechnet 7.300 Euro für Teilnehmer sowie von gut 25.000 Euro für Veranstalter nicht genehmigter Demonstrationen vor.

Russland ist seit 1996 Mitglied im Europarat. Damit hat sich das Land verpflichtet, die Europäische Menschenrechtskonvention einzuhalten, in welcher die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit verankert sind.

"Russland schränkt Grundrechte wie die Versammlungs-und Meinungsfreiheit zunehmend ein, und das offizielle Österreich schaut einfach zu", kritisierte auch Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen, Außenminister Michael Spindelegger (V) anlässlich der Verschärfung des Demonstrationsrechts in Russland in einer Aussendung am Mittwoch. "Seit Monaten hält Russland zudem Mitglieder der (Musik-)Gruppe Pussy Riot gefangen", ergänzt Schwentner. "Die jungen Frauen müssen sofort frei gelassen und entschädigt werden. (...) Es liegt auch an Außenminister Spindelegger und Kulturministerin Schmied, bei den russischen Behörden gegen die Inhaftierung der KünstlerInnen zu protestieren."

Unter Putin entferne sich Russland in "Riesenschritten von einer demokratischen und pluralistischen Kultur". "Weil Putin und der orthodoxe Patriarch es offenkundig so wollen, werden junge Frauen eingesperrt. Das kann nicht widerspruchslos hingenommen werden. Wer Künstlerinnen einsperren lässt, kann nicht als Teil der demokratischen Welt akzeptiert werden", so Schwentner.

Die Mitglieder der Frauen-Punkrock-Formation "Pussy Riot" sitzen seit Monaten in Untersuchungshaft, weil sie in der Moskauer Christi-Erlöser-Kathedrale ein "Punk-Gebet" gegen Putin gesprochen hatten.

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