Roma-Protest gegen Neonazis

Roma-Protest gegen Neonazis
Im abgewirtschafteten Plattenbauviertel der Stadt Miskolc marschierten nicht nur Rechtsradikale, sondern auch Roma.

Marsch für das ungarische Leben": So der zynische Titel, den die neofaschistische Jobbik-Partei ihrer Protestkundgebung gegeben hatte. Denn die mehr als tausend Demonstranten, die in der armseligen Plattenbausiedlung Avas aufmarschierten, machten sehr laut sehr deutlich, wer keinen Platz in diesem ungarischen Leben hat.

"Zigeuner raus", war da noch die harmloseste Parole, die Mittwochabend in der nordungarischen Industriestadt Miskolc durch die Reihen ging. Zwangssterilisation und Arbeitslager wurden da für die Roma gefordert.

Garde marschiert

Roma-Protest gegen Neonazis

Aufgehetzt durch Reden von Jobbik-Chef Gabor Vona und einigen lokalen Neonazi-Größen zogen auch Dutzende Vertreter der illegalen faschistischen Garde in Uniform und mit Fackeln durch den großteils von Roma bewohnten Problembezirk. Mehrere Tausend Polizisten waren notwendig, um eine Eskalation zu verhindern.

Diesmal aber wagten sich auch die Betroffenen selbst auf die Straße. Die Roma, die aus Angst vor Gewalt bisher alle Übergriffe schweigend akzeptiert hatten, organisieren sich auch in Miskolc. E­twa 300 von ihnen aus der Siedlung demonstrierten vor der rechtsradikalen Kundgebung gegen Diskriminierung, forderten Mitsprache bei der Lösung der Probleme und Arbeitsplätze.

Doch die gibt es gerade in Miskolc nicht. Einst im Kommunismus, Zentrum der Stahlindustrie, ist hier die Arbeitslosigkeit mit mehr als 20 Prozent besonders hoch – gerade für die Roma stehen die Chancen daher schlecht.

Vor einigen Jahren hatte die damals sozialistische Regierung begonnen, Roma-Familien aus den Slumvierteln rund um Miskolc in den teilweise verwaisten Plattenbauten anzusiedeln. Arbeit, passende Schulen oder Ausbildung gab es für die neuen Bewohner nicht – mit absehbaren Folgen: Vandalismus, Herrschaft krimineller Banden, Übergriffe gegen andere Einwohner von Avas.

Denen bot Jobbik-Chef Vona am Mittwoch seine bewährten Hetzparolen als Lösungen an. Das "Problem des Zusammenlebens von Roma und Nicht-Roma" könne nur durch strikte Trennung gelöst werden. Die neuen Familien würden nicht hierher passen.

Bürgermeister Kriza von Ungarns rechtskonservativer Regierungspartei Fidesz beschränkt sich darauf, das Problem seinen sozialistischen Vorgängern anzulasten. Bürgerwehren, die in Avas auf eigene Faust für Ordnung sorgen, werden gefördert, auch wenn die sich offen und oft gewalttätig gegen die Roma richten. Für Kriz ist das ein Beitrag zu mehr Sicherheit, den er sich selbst gerne auf die Fahnen schreibt: "Es gab und es wird Ruhe und Ordnung in Miskolc geben."

Wachsende Probleme: Ungarns Roma

Größte Minderheit Wie auch in den Nachbarländern Slowakei und Rumänien sind die Roma in Ungarn mit etwa einer Million Menschen die größte Minderheit. Am stärksten vertreten sind sie im Nordosten des Landes. Die Mehrheit von ihnen lebt heute sesshaft, konzentriert sich aber auf slumähnliche Siedlungen.

Diskriminiert Unter den Kommunisten zwangsweise integriert, wird seit der Wende 1989 die soziale Isolation und Diskriminierung der Roma immer schlimmer. Unter der rechtskonservativen Regierung von Premier Orban kommt es vermehrt zu Übergriffen durch rechtsradikale, teils paramilitärische Gruppierungen.

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