Ratschläge aus USA sind nicht selbstlos
Angriffiger Inhalt und scharfer Ton gehören nicht zum Standardrepertoire des EU-Kommissionspräsidenten Barroso. Um so bemerkenswerter sein Temperamentsausbruch gegen amerikanische Kritik an der europäischen Krisenbekämpfung. Diese Krise sei von Amerika ausgegangen. Daher seien die Europäer zum G-20-Gipfel "ganz sicher nicht gekommen, um uns belehren zu lassen – von niemandem".
Barroso benannte damit zwei wesentliche Probleme im ökonomischen Verhältnis USA/Europa: Alle Fehler, die zur Krise geführt haben, sind amerikanischen Ursprungs und Ratschläge aus den USA sind das exakte Gegenteil von Selbstlosigkeit.
Jenseits aller Verschwörungstheorien zeigt der Rückblick auf einige Jahrzehnte Wirtschaftsgeschichte, dass die USA gezielt ein System globalisiert haben, das dem eigenen nationalen Vorteil und andererseits einer dramatischen Umverteilung nach oben dienen und zu ungeahntem neuen Superreichtum führen sollte.
Der Ursprung allen Übels lag in der stark ideologisierten Wirtschaftswissenschaft. US-Ökonomen setzten die Idee der Deregulierung bis zur weitgehenden Zügellosigkeit und die einseitige Orientierung auf die Interessen der Eigentümer als einzig richtige ökonomische Prinzipien durch. Unbeschränkte Märkte sollen regieren.
Gekaufte Demokratie
Derart wissenschaftlich untermauert setzten sich die Nutznießer dieser Ideologie in allen entscheidenden Institutionen der USA durch, auch in der Politik. Riesige Wahlspenden sorgen für genehme Politiker bis hinauf zur Präsidentschaft. Eine milliardenschwere Lobby-Maschinerie sorgt für Gesetze nach Eigeninteresse. Staatliche Politik wird von Wall-Street-Bankern im Finanzministerium und einer Notenbank im Eigentum unbekannter Privater gesteuert. Das lange Zeit zu Recht gerühmte politische System der USA nähert sich einer gekauften Demokratie.
Im Gleichschritt von Politik und Märkten verbreiteten die USA weltweit die Spielregeln der zügellosen Märkte. Zugunsten maximaler Gewinne der Shareholder und ihrer Manager, zugunsten einer entfesselten Finanzwirtschaft und ihrer häufig auch im strafrechtlichen Sinn kriminellen Spekulation. Mit der selektiv eingesetzten Peitsche der US-dominierten Ratingagenturen.
Dieses System retten die Amerikaner mit immer neuem Geld und immer noch mehr Schulden. Europa wehrt sich gegen den Druck, Gleiches zu tun. Vielmehr bekommt die soziale Marktwirtschaft, für die meisten Amerikaner purer Sozialismus, endlich wieder mehr Geltung in der Kombination von Sparen und Investieren zugunsten von neuen Arbeitsplätzen.
Worum es den USA letztlich geht, beschrieb Alt-Kanzler Vranitzky kürzlich. Bei der Euro-Einführung hätten ihm gegenüber wissende US-Gesprächspartner den Kampf gegen die neue Währung angesagt. Denn der US-Dollar müsse alleinige Weltwährung bleiben.
In der Verteidigung ihrer Stellung als alleinige Supermacht kennen die USA eben keine Freunde.
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