Privilegien: Wer jetzt noch hohe Pensionen bekommt

Privilegien: Wer jetzt noch hohe Pensionen bekommt
Die Mitarbeiter von Sozialversicherung und Nationalbank erhalten bis zu 84 % der Letzt-Gage - untragbar für den Rechnungshof.

In den Sozialversicherungen herrschen paradiesische Zustände – immer noch. Die Prüfer des Rechnungshofes würden derlei nie sagen, geschweige denn in einen Bericht schreiben; das wäre zu unpräzise, zu polemisch.

Ein am Montag präsentierter Rechnungshofbericht sagt aber genau das: Das Pensionssystem der Sozialversicherungen (Krankenkassen, Pensionsversicherungen, etc.) ist ausnehmend vorteilhaft, es verschwendet Steuergeld – und das nicht zu knapp.

1,4 Milliarden Euro, befindet der Rechnungshof, könnte sich der Staat in den nächsten 38 Jahren sparen, wäre man beim Abbau der Pensionsprivilegien in der Sozialversicherung (SV) ambitionierter. Sozialminister Rudolf Hundstorfer sieht das ähnlich – und will den Luxuspensionisten einen höheren Beitrag abverlangen.

Messlatte

Was kritisieren die Prüfer eigentlich? Konkret stoßen sie sich an jener Zusatzpension, die SV-Angestellte zusätzlich zur ASVG-Pension beziehen, und die ihnen im Vergleich zu Bundesbeamten eine höhere Pension ermöglicht.

Exemplarisch hat der Rechnungshof das Gehalt der Sozialversicherung mit jenem der Bundesbediensteten verglichen. Während ein heute 42-jähriger Akademiker im Bundesdienst mit einer Brutto-Pension von 2670 Euro rechnen kann, bekommt er in der Sozialversicherung bei vergleichbarem Job und gleicher Qualifikation um ganze 1190 Euro mehr (siehe Grafik).

Zuletzt gingen in der Sozialversicherung 70 Prozent der Männer und 73 Prozent der Frauen mit mehr als 80 Prozent ihres Letztbezuges in Pension; im Schnitt bekommen Pensionisten der Sozialversicherung mehr als 84 Prozent des Letztgehalts als Rente. Und: Abschläge, die man bei einem frühen Pensionsantritt bei der ASVG-Pension in Kauf nehmen muss, werden in der Sozialversicherung kompensiert. Heißt: Sinkt die ASVG-Pension, steigt die SV-Pension – laut Rechnungshof ist das kein Anreiz, um lange im Job zu bleiben.

Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger verteidigt man sich: Die Arbeitnehmer würden bis zu zehn Prozent des Gehalts für die zusätzliche Pension einzahlen. Außerdem gelte die Regelung ja nur für jene, die in Pension seien (derzeit 16.000 Personen) sowie für 14.000 Mitarbeiter, die vor 1996 in der SV begonnen haben. Alle nach 1996 eingetretenen Mitarbeiter seien bereits im ASVG-Modell.

Minister reagiert

Im Sozialministerium will man dennoch nachschärfen und die Pensionen deckeln. Konkret wird der "Pensionssicherungsbeitrag" von derzeit 3,3 Prozent angehoben. Dieser wird auch auf hohe Pensionen in der Nationalbank, Post, ÖBB, bei Politikern oder Landeslehrern fällig.

Bei der Sozialversicherung wird dieser Abschlag nun – je nach Pensionshöhe gestaffelt – auf bis zu sechs Prozent angehoben."Die Regel tritt mit 1. Jänner 2013 in Kraft", sagt Sozialminister Hundstorfer. Damit folge man der Rechnungshof-Empfehlung.

Für Sozialwissenschafter Bernd Marin ist selbst das zu wenig: Er wünscht sich gar eine 20-prozentige Sondersteuer auf Spitzenpensionen (siehe Bericht links unten) .

Luxuspensionen bei Sozialversicherung (im Vgl. zu Bundesbediensteten
Geburtsjahr Gesamtpension Pension Bund Gesamtpension Pension Bund
Sozialvers. (Akademiker) (Akademiker) Sozialvers. (Fachdienst) (Fachdienst)
1955 4270 € 3270 € 2880 € 2340 €
1970 3860 € 2670 € 2550 € 2120 €

Privilegien-Reste

Faktum ist: Der Abbau der Privilegien geht langsam, bestehende Pensionsverträge können nur geringfügig geändert werden. Daher findet man auch in anderen staatsnahen Einrichtungen noch teils üppige Pensionsverpflichtungen: In der Nationalbank gibt es nach wie vor 1300 Pensionisten und 500 Anspruchsberechtigte, die bis zu 85 Prozent der Letzt-Gage erhalten. Sprecher Christian Gutlederer: "Seit 1993 gibt es niemanden mehr, der in das alte Pensionssystem eingestiegen ist."

Und Reste von Pensionsprivilegien finden sich auch in der Wirtschafts- und Arbeiterkammer: 70 Prozent des Letztbezuges waren üblich. Darüber freut sich in der AK nur noch eine "kleine zweistellige Zahl", in der WKO 1400 Pensionisten und Anwärter.

Bernd Marin: Extrawürste besteuern

Privilegien: Wer jetzt noch hohe Pensionen bekommt

Eine Vermögens- oder Millionärssteuer, die wirklich gerecht und dringend nötig wäre, wäre eine Steuer ("Pensionssicherungsbeitrag") auf Super-Pensionen, sagt Sozialexperte Bernd Marin. Solche Pensions-Extrawürste sind zu 75 bis 80 Prozent nicht durch Eigenbeiträge gedeckt. Man sollte sie mit rund 20 Prozent besteuern, so Marin. Es handelt sich dabei um "Sonderrechtspensionen" (u. a. Altpolitiker, alte "Dienstordnungspensionen", Nationalbank). Aber hier wage offenbar niemand eine Reform oder auch nur eine angemessene Besteuerung auf "windfall gains" (Vermögenszuwächse, die nicht auf echten Leistungen der Bezieher beruhen).

Im Vergleich zu den Pen­sionszahlungen von durchschnittlich 688.000 Euro pro Pensionistenhaushalt seien die 15.000 bis 40.000 Euro, die die Österreicher durchschnittlich auf der hohen Kante hätten, eigentlich lächerlich wenig. Der durchschnittliche Nationalbank-Pensionist – vom Portier bis zum Fachreferenten, aber unter der Direktionsebene – bekomme pro Kopf 2,3 Millionen Pension, davon 1,7 Millionen Euro Pensionszuschuss von der öffentlichen Hand. Zum Vergleich: Ein ASVG-Pensionist bekomme nur 100.000 Euro Pensionszuschuss, Beamte im Schnitt 400.000 Euro Subvention pro Kopf. Den Rest haben beide im Laufe ihres Lebens als Beiträge selbst bezahlt.

Speziell in der Nationalbank habe es bisher weder eine ausreichende Pensionsreform noch eine Besteuerung der Altverträge gegeben, kritisiert der Experte. Auch in Ländern wie Kärnten (Marin: "Kärnten ist unser Griechenland, nur viel, viel teurer") würden die Reformen aus der Ära Wolfgang Schüssel für die Landes­beamten nur extrem schleppend nachvollzogen.

Marin nennt ein Beispiel: Ein Akademiker im Kärntner Landesdienst bekommt laut Rechnungshof rund eine halbe Million mehr Pension als ein Akademiker im Bundesdienst – und dieser bekomme wiederum eine halbe Million mehr als ein angestellter Akademiker in der Privatwirtschaft

"Das ist der schlimmste Anschlag auf Junge"

Mehr als 50 Sozialexperten, Ökonomen und Unternehmer haben kürzlich eine "ultimative Pensionsreform" gefordert. Das System sollte nach schwedischem Vorbild umgebaut werden.

Der überparteiliche Se­niorenrat wehrt sich gegen die "Kampagne von neoliberalen Interessengruppen". Karl Blecha, Präsident des roten Pensionistenverbandes, bezeichnete den Vorstoß gestern als "schlimmsten Anschlag auf Junge und sozial Schwache in den letzten Jahrzehnten". Seniorenbund-Präsident Andreas Khol (ÖVP) ergänzte: "Dieses Programm lehnen wir ab." Zudem werfen die Seniorenvertreter den Fachleuten vor, mit falschen Zahlen zu hantieren.

Geht es nach den Experten rund um den einstigen Weltbank-Direktor Robert Holzmann, sollen die Pensionsbeiträge künftig auf ein Konto eingezahlt und verzinst werden. Staatliche Zuschüsse sind nur noch für Kindererziehungszeiten oder für den Präsenz- und Zivildienst vorgesehen.

Die Pension soll aus der Summe der Einzahlungen (plus Zinsen) dividiert durch die durchschnittliche Rest-Lebensdauer errechnet werden. Wann ein Erwerbstätiger die Pension antritt, soll ihm überlassen bleiben. Um einen ähnlich hohen Ruhebezug wie gegenwärtig zu erhalten, müsste man allerdings um vier bis fünf Jahre länger arbeiten, sagen die Experten.

Die Reform-Idee wird von Vertretern aus nahezu allen politischen Lagern unterstützt. Der Grüne Alexander Van der Bellen ist ebenso darunter wie der ehemalige SPÖ-Minister Hannes Androsch und Ex-EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP). Auch die Fachleute Theodor Tomandl und Wolfgang Mazal halten sie für gut.

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