Plädoyer für 100 Mörder

Plädoyer für 100 Mörder
Anwaltsdynastie: Von den Lainzer Todesschwestern bis zum Polizisten-Attentäter, drei Generationen verteidigten sie alle.

Das waren noch Zeiten, als man sich mit dem Richter das Urteil ausmach..., äh, als man den Zeitpunkt der Urteilsverkündung vereinbaren konnte.

Peter Philipp hatte eben die Verteidigung in einem großen Korruptionsprozess gegen einen Staatsanwalt, einen Autohändler, einen prominenten Journalisten übernommen und sich vor Verhandlungsbeginn am Wochenende beim Kicken die Achillessehne gerissen. So etwas muss binnen sechs Tagen operiert werden, sonst heilt es nicht mehr.

Der Prozess wurde an einem Montag eröffnet, für Freitag 14 Uhr setzte der Richter die Urteilsverkündung an, um 16 Uhr wartete das OP-Team auf Philipp. Danach bemühten sich die Richter und Staatsanwälte mit ihren Akten zu ihm ins Gerichtsbuffet, damit er nicht durchs Wiener "Landl" humpeln musste. Man kannte sich schließlich.

Eine Marke

Heute kann man so etwas nicht mehr machen. Ehe man mit dem Justizpersonal im Grauen Haus vertrauter geworden ist, hat es schon wieder gewechselt. Aber der Name Philipp hat Bestand. Als "der alte Philipp", ein Adelsprädikat wie "der alte Stern", eine der Lainzer Mordschwestern verteidigte, war "der junge Philipp" längst in seine Fußstapfen getreten. Wilhelm Philipp starb 1999. Peter Philipp plädierte bisher für 100 Mörder und kassierte nur acht Mal Lebenslang, die übrigen 92 konnte er vor der Höchststrafe bewahren.

Wobei: Ein Klient fasste sogar 31 Jahre aus. Für Mord kam er mit 19 Jahren noch glimpflich davon, dann nahm er im Gefängnis einen Bischof als Geisel. Dass der "dem verwirrten Schaf" beim Prozess verzieh, konnte dem Sünder ebenso wenig wie Philipps Verteidigung weitere 12 Jahre ersparen.

Als der schon in Vergessenheit geratene Verurteilte eines Tages in der Kanzlei auftauchte, hätte einem schon mulmig werden können. War's doch zu viel Schmalz (Strafe)? Aber er
hatte seinen ersten Freigang nur genützt, um zu fragen: "Doktor, wie geht's Ihna?"
Angst kam nie auf, obwohl Peter Philipp auch Unterweltler zu seiner Klientel zählt. Beruf und Privates werden strikt getrennt, die Klienten müssen zu ihm kommen, nicht umgekehrt. Das musste selbst der berüchtigte "rote Heinzi" schlucken.

Angespuckt

Ein unangenehmes Erlebnis gab es doch: Als Philipp einen Mann verteidigte, der seine Frau umgebracht und einbetoniert hatte, spuckte ihm deren Tochter im Prozess ins Gesicht.
Philipp wird demnächst 65 und ist (neben Herbert Eichenseder) der dienstälteste Strafverteidiger. Ans Aufhören denkt er (wie Eichenseder) nicht. Wer heute vom "jungen Philipp" spricht, meint Alexander. Kürzlich suchte ein junger Mann bei ihm anwaltlichen Rat, dessen Vater schon Alexanders Vater und dessen Opa schon Alexanders Opa als Strafverteidiger engagiert hatte.

Opa Wilhelm Philipp lebte hauptsächlich von Schmugglern. Peter Philipp wurde "im Zigeunergeschäft" groß ("Ich darf das sagen, die kommen seit 40 Jahren zu mir"), womit Roma- und Sinti-Angehörige gemeint sind, die zum Beispiel falsche Perserteppiche verhökern. Alexander Philipp verteidigt Drogenhändler, einen Namen machte er sich als Rechtsbeistand des Chefs der "Dalton-Bande" und eines Autodiebes, der einen Polizisten niedergeschossen hatte.

Die Leidenschaft der Philipps sind Geschworenenprozesse. Da kann man noch mit aus dem Ärmel gebeutelten Kinokarten Eindruck schinden, die ein Alibi belegen sollen. Vier von acht Laienrichtern fielen darauf..., äh, befanden es für stichhaltig und beantworteten die Schuldfrage mit Nein. Das reicht für einen Freispruch.

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