Per Mausklick zum Befund

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Die Vernetzung der Patientendaten lässt noch auf sich warten. Manche Spitäler zeigen vor, wie es gehen könnte.

Wer auf der Station von Andreas Wehrmann landet, hat oft schon viel mitgemacht: Er oder sie ist durchschnittlich 82 Jahre alt, leidet an gebrochenen Knochen, schwachen Organen – oder beidem. Mitunter kommt Demenz hinzu. Und bei all dem kann es passieren, dass die Patienten bis zu 25 verschiedene Medikamente bekommen, um den müden Körper zu unterstützen.


Herr Wehrmann ist Leiter des Departments für Akutgeriatrie und Re-Mobilisation im Krankenhaus Göttlicher Heiland, einem Spital in Wien-Hernals. Die Arbeit mit besonders alten Patienten ist fordernd, insofern kommt jede Hilfe recht, die den Alltag erleichtert – selbst wenn sie einen ungelenken Namen trägt. „EGOR“ heißt das elektronische System, das in den kommenden Monaten dafür sorgen soll, dass die Mitarbeiter in den Spitälern der Vinzenz Gruppe und der Barmherzigen Brüder mehr Zeit für die Patienten haben – und unnötige Ausgaben vermeiden.

 

Vernetzt

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Die Idee: Stimmen die Patienten zu, werden über die „Elektronische Gesundheitsplattform der Ordenseinrichtungen“ (EGOR) alle Befunde (Röntgen, CT, Laborwerte etc.) innerhalb der beiden Spitalsverbände elektronisch zugänglich.

Das bedeutet: Egal, ob ein Patient zur Herz-Rehabilitation in Bad Ischl, zur Operation in Wien oder Linz liegt – die behandelnden Ärzte können alle Befunde sehen.

EGOR ist insofern bemerkenswert, als es vorwegnimmt, was die Elektronische Gesundheitsheitsakte (ELGA) in den kommenden Jahren für ganz Österreich leisten soll: die Vernetzung von Patienten-Daten zwischen Spital, Apotheke und niedergelassenem Arzt. Für Oberarzt Wehrmann liegen EGORs Vorzüge auf der Hand: „Wir können uns und damit den Patienten überflüssige Untersuchungen ersparen.“

Sechs von zehn seiner Patienten kommen aus anderen Krankenanstalten. Das bedeutet: Sie wurden untersucht, es gibt Vor-Befunde, allenfalls interessante Röntgenaufnahmen. „Aber wenn uns die Rettung einen älteren Menschen bringt, der nicht ansprechbar ist, können wir darauf nicht zugreifen.“

Erst vor wenigen Tagen sei eine Pensionistin eingeliefert worden, von der man nur gewusst habe, dass sie Nierenversagen hatte. Was genau mit ihr gemacht wurde, versuchten Wehrmann und die Mannschaft mit Telefonaten und eMails zu klären – überflüssige Arbeitsstunden.

Abgesehen von den Kosten und der Zeit, die verloren geht, sprechen medizinische Gründe gegen Mehrfach-Befundungen. „Röntgen, bei denen Kontrastmittel verwendet werden, sind oft nicht angenehm“, sagt Wehrmann. Noch schlimmer findet er es, wenn etwa der Unterleib mit dem Computer-Tomografen unnötigerweise untersucht wird. „Ein Abdomen-CT entspricht 50 Lungenröntgen, ist also eine erhebliche Strahlenbelastung. So etwas macht man nicht leichtfertig.“

Das wohl stärkste Argument gegen eine zentrale Speicherung der Patientendaten – der Datenschutz – sieht Wehrmann gelassen: „Als Stationschef bin ich der Einzige, der alle Daten einsehen kann. Jeder Mitarbeiter hat einen Zugangscode, es ist nachvollziehbar, wer sich wann wo eingeloggt hat, um welchen Befund anzuschauen.“ Gut möglich, dass der Arzt die Sache entspannt sieht, weil seine Patienten auch so ticken. Bisher hat sich niemand geweigert, in EGOR aufgenommen zu werden. Wehrmann: „Die meisten sagen: Wen, außer mich selbst, sollten meine kaputten Knochen schon interessieren?“

Patientendaten: Zentrale Speicherung

Fakten Hinter dem Kürzel ELGA verbirgt sich das größte gesundheitspolitische Projekt der nächsten Jahre, die „Elektronische Gesundheitsakte“. ELGA soll ermöglichen, dass alle Patientendaten (Befunde, Arzt-Briefe, Verschreibungen von Medikamenten etc.) für Fachpersonal bei Bedarf für die Dauer von 28 Tagen einsehbar sind.

Zeitplan Ab 2015 sollen alle Ärzte und Spitäler mit ELGA erfasst sein. Kosten soll die Vernetzung 130 Millionen Euro (bis Ende 2017). Wer nicht an ELGA teilnehmen will, kann die Teilnahme verweigern („Opt-out“) oder einzelne Diagnosen und Medikamente sperren. Bedenken äußern ob der Datensicherheit vor allem Ärztevertreter.

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