Mexikaner prangern Wahlfälschung an

Mexikaner prangern Wahlfälschung an
Am Sonntag gingen die Proteste der Studentenbewegung in die nächste Runde. Das Ergebnis der Präsidentenwahlen wird vielerorts angezweifelt, die Idee eines mexikanischen Frühlings macht sich breit.

Er sieht blendend aus, hat ein strahlendes Lächeln und eine hübsche Fernsehschauspielerin zur Frau. Doch nach dem Wahlsieg von Enrique Peña Nieto am ersten Juli fragt sich Mexiko, ob es in Richtung Zukunft oder Vergangenheit unterwegs ist.

Seit Wochen demonstrieren die Mexikaner gegen das Ergebnis der Wahlen. Ganz vorne die Studentenbewegung #Yosoy132 ("Ich bin 132"), die mit der Wahl Peña Nietos einen Rückschritt befürchtet, wie sie gegenüber dem KURIER betonen. Dabei ist der frisch gewählte Präsident jung, verspricht einen demokratischen Wandel und einen Sieg gegen die Drogenkämpfe.

Sein Sieg bedeutet aber auch die Rückkehr seiner Partei, der Institutionellen Partei der Revolution (PRI). Diese regierte 71 Jahre lang Mexiko wie ein Staatskartell, schreibt die Süddeutsche. Und sie hat nicht Unrecht: Die Partei gilt als Inbegriff von Betrug und Korruption - autoritär ist noch die sanfteste Umschreibung.  Der Schriftsteller Mario Vargas Llosa nannte die PRI-Herrschaft einst die "perfekte Diktatur". Außerdem werden der Partei gute Kontakte zu Drogenbossen nachgesagt.

Der unterlegene Andrés Manuel López Obrador, Kandidat der linken Partei PRD, kämpft seit Wochen gegen das Wahlergebnis. Der Urnengang ist für ihn ungültig - die Vorwürfe lauten: Wahlbetrug, Stimmenkauf, Verfassungsverletzungen, Geldwäsche.

"Ich habe die Beweise", behauptete López Obrador Mitte Juli, nachdem seine Leute kistenweise angebliches Beweismaterial bei der Wahlbehörde abgeliefert hatten. "Der Wahlprozess war nicht frei. Man hat Millionen von Stimmen gekauft und manipuliert."

Polizei nahm 23 Demonstranten fest

"Raus mit dir, Peña", riefen am Sonntag deshalb Tausende Mexikaner auf den Straßen der Hauptstadt. Viele Menschen in Mexiko halten den von López Obrador proklamierten Wahlbetrug für möglich. In den sieben Jahrzehnten, in denen die PRI im vergangenen Jahrhundert das Land beherrschte, hat die "Staatspartei" so die Präsidenten wählen lassen: Demokratisch inszeniert, aber mit massenhaftem Stimmenkauf und vorberechneten Ausgang.

Die laut Regierungsschätzungen 15.000 Demonstranten zogen am Sonntag durch die Innenstadt zum Zócalo, dem zentralen Platz der mexikanischen Hauptstadt. Wie #Yosoy132 auf ihrer Website reklamieren, sind am Sonntag 21 Erwachsene und zwei Minderjährige von der Polizei ohne Begründung festgenommen worden. Die Polizei hätte wiederholt Tränengas und Knüppel gegen die friedlichen Studenten eingesetzt.

Bevölkerung hofft auf mexikanischen Frühling

Mexikaner prangern Wahlfälschung an

Die Studentenbewegung  rebelliert bereits seit Beginn des Wahlkampfes. Für viele Mexikaner ist die Bewegung  ein Hoffnungsschimmer, ein mexikanischer Frühling, dem es sich anzuschließen gilt. "Unsere Bewegung ist in den Universitäten geboren, hat sich aber auf viele Städte und Bevölkerungsschichten ausgeweitet. Wir sprechen alle Mexikaner an", erklärt ein Sprecher von #Yosoy132 gegenüber dem KURIER.

Die mexikanische Wirtschaftswissenschafterin Ana Esther Cecena sagte bei einer Wiener Tagung des Amerikanisten-Kongresses Mitte Juli: "Diese Protestbewegung ist nicht parteipolitisch. Sie fordert die Öffnung der Debatte, eine Demokratisierung des Systems, tritt gegen die autoritären Präsidenten auf." Den siegreichen Kandidaten des Urnengangs vom 1. Juli sieht Cecena als völlig "ignorant" und "ohne klare Ideen". Enrique Peña Nieto habe seinen Sieg zu einem guten Teil dem mächtigen Medienkonzern des Landes zu verdanken. Die zwei größten Fernsehsender hätten klar für ihren Kandidaten Propaganda betrieben, betonen auch viele Kritiker in Mexiko.

Studenten: "Wir fordern die Demokratisierung der Medien"

Jedes Wochenende seit dem Wahlsieg gehen die Studenten nun auf die Straßen. Die Proteste sind friedlich, organisiert über Twitter und Facebook. Sie richten sich gegen Peña Nieto, die Wahlbehörden und auch die Massenmedien, die fest in der Hand der Politik scheinen und gezielte Desinformation der Bevölkerung betreiben sollen. "Ein zentraler Punkt unseres Protests ist die Demokratisierung der Medien. Deshalb organisieren wir uns auch über soziale Medien und verzichten auf traditionelle Medien wie das Fernsehen", sagen die Organisatoren zum KURIER.

Im Vorfeld der Wahlen organisierte die Bewegung über die zugehörige Website ein Netzwerk an Wahlbeobachtern. Hunderte Menschen erklärten sich bereit jeden Regelverstoß zu dokumentieren. So versuchte die Bewegung Transparenz in den Wahlprozess zu bringen. Mit Videos wird außerdem Aufklärungsarbeit im Internet geleistet.

Neue Vorwürfe

Mexikaner prangern Wahlfälschung an

Die von vielen befürchtete Rückkehr zum alten Stil des Machtapparates der PRI werde allerdings ausbleiben, betont Günther Maihold vom GIGA Institut für Lateinamerika-Studien. Die PRI verfehlte die absolute Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses und werde damit alle Reformen mit der Opposition verhandeln müssen.

Zu den Vorwürfen des Wahlbetrugs kamen vergangene Woche neue hinzu: Peña Nieto soll für seinen Wahlkampf Gelder veruntreut haben und weit mehr verbraucht haben, als ihm vom Gesetz her zusteht. Noch erscheint der designierte Präsident strahlend lächelnd vor den Fernsehkameras - die Hand seiner Frau allerdings schon fest umklammert.

Mehr zum Thema

 

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

  • Hintergrund

 

 

Kommentare