Partei-Finanzen: Ein dichter Dschungel
Es handelt sich definitiv um einen Fall für die Transparenzdatenbank: die Parteienfinanzierung. Parteienförderung, Klubförderung, Akademieförderung, Wahlkampfkostenbeiträge – und das Ganze zehn Mal unterschiedlich in Bundesländern und Bund. Der KURIER dokumentiert anhand von Auskünften aus neun Landesregierungen, Bundeskanzleramt und Parlament, wie viel Geld im Jahr 2011 an die Parteien floss: Es sind – die mehr 30,82 Millionen Wahlkampfkostenrückerstattungen in Bund, Kärnten und Tirol anteilig eingerechnet – 172 Millionen 446.789 Euro. Hinzu kommen Klubbeiträge, die Statutarstädte an ihre Rathausklubs ausschütten sowie geringe Wahlkampfbeiträge für Parteien, die es nicht in einen Landtag schaffen (z. B. das BZÖ in Niederösterreich). Konservativ gerechnet kann man von 175 Millionen Euro pro Jahr an Direktförderungen ausgehen.
Doch das ist noch nicht alles. Die Parteien füllen ihre Kassen auch mit den Gehältern ihrer öffentlichen Funktionsträger. Aus dem Titel der sogenannten Parteisteuern dürfte ein erklecklicher Batzen zusammen kommen. Tausende Gemeinderäte, Bürgermeister und Stadträte, Hunderte Landtags- und Nationalratsabgeordnete, Landesräte, Landeshauptleute und Minister müssen einen Teil ihres Einkommens an die Partei abführen. Nach Auskunft einiger Mandatare bewegen sich die Prozentsätze zwischen 12 und 20. Ein Beispiel aus einer kleinen ÖVP-Landgemeinde: Das Gemeinderatsmitglied bekommt 100 Euro Entschädigung im Monat, 200 Euro muss es im Jahr an die Partei abführen. Beim Bürgermeister ist es ein Monatssalär. Ein Beispiel aus der SPÖ-Nationalratsriege: Die Wiener SPÖ wollte von Josef Broukal 12 Prozent seines Einkommens –, aber nicht nur als Mandatar, auch des privaten. Die Wiener SPÖ hat sogar den Steuerbescheid verlangt und Mahnungen geschickt. Darauf wich Broukal, Familienvater mehrerer Kinder, nach Oberösterreich aus und ist seither Mitglied in der Sektion Käferfeld-Öd. Oberösterreich verlangt keine Parteisteuern. Das hat Broukal allerdings in Naturalien abgegolten: 2006 machte er 150 Dienstreisen von Wien nach Oberösterreich, um dort unentgeltlich für die SPÖ zu arbeiten.
Trotz der hohen Einkünfte aus öffentlichen Titeln kommen viele Parteien mit dem Geld nicht aus. Man fragt sich: Was tun sie damit? Sicher, Parteien brauchen Personal. Für Mitgliederverwaltung und -betreuung, für Öffentlichkeitsarbeit, für EDV und politische Arbeit. SPÖ und ÖVP haben aus Geldnot ihre historisch gewachsenen Strukturen zwar schon abgeschlankt, dennoch meint ein erfahrener Parteimanager: „Das reicht noch nicht. Die Parteien wirtschaften schlecht.“ Immense Summen verschlingen die Wahlkämpfe. Zehn bis vierzehn Millionen Euro, so ein Sachkundiger, pulvert eine Großpartei in einen Nationalratswahlkampf. Daher wäre – so verlangen es die Grünen – eine Wahlkampfkostenbegrenzung ein wichtiger Beitrag zur Sauberkeit. Würden die Parteien weniger verpulvern und ihre Mittel im Wahlkampf effizient einsetzen, bräuchten sie sich nicht über mehr oder weniger dunkle Kanäle zusätzliches Geld beschaffen. Mit sieben, acht Millionen sei ein guter Nationalratswahlkampf zu machen, sagt ein Kenner.
Auch eine österreichweite Reform der Parteienförderung würde Verbesserung bringen. Während manche Länder (Wien!) in Geld schwimmen, haben die Bundesparteien riesige Löcher in der Kassa. Wien genehmigt den Parteien im Jahr 28 Euro pro Wahlberechtigtem, Kärnten – dort hat man’s ja – 23 Euro. Der Bund: 7,66 Euro. Im Vergleich zum Bund nimmt sich sogar das sparsame Burgenland mit 12,20 € pro Wahlberechtigtem und Jahr richtig generös aus. Dabei sind die Bundeswahlkämpfe viel aufwendiger als Landtagswahlkämpfe. Der Bund muss österreichweit plakatieren, und bundesweit gibt es auch mehr Medien, die mit Inseraten bedacht werden wollen. Für eine bundesweite Neuregelung der Parteienförderung tritt etwa der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler ein.
Nebenbei bemerkt wäre eine gerechtere Verteilung des öffentlichen Parteigeldes auch ein Beitrag zu einer Staatsreform. Die Bundesparteien, insbesondere die ÖVP, sind von Zuwendungen aus den Ländern abhängig. Wenn der Parteichef nicht spurt, wird schon mal der Geldhahn von einem zürnenden Landesobmann zugedreht. So geschah es Josef Pröll mit seinem Onkel Erwin und Michael Spindelegger mit den Steirern. Man kann sich ausmalen, wie viel ein Bundesparteichef gegen einen Landeschef politisch durchbringt, wenn er im Wahlkampf von dessen Geld abhängig ist.
Aufgrund des Telekom-Skandals und der Drohung des Grünen Peter Pilz mit einem Volksbegehren sehen sich SPÖ und ÖVP nun gezwungen, ein neues Parteienfinanzierungsgesetz zu machen. Es soll gläserne Parteikassen bringen. Bundes- und Landesparteien, Teil- und Vorfeldorganisationen sollen ihre Geldquellen offenlegen müssen. Dagegen gibt es massiven Widerstand – in der ÖVP aus Bünden und Ländern, in der SPÖ wollen sich die Gewerkschafter und die SPÖ-Wien nicht in die Kassa blicken lassen. Die SPÖ-Wien hat die perfekte Partei-Finanzierungsmaschinerie erfunden. Die Partei (genau: die „Arbeiterheime“) sind an Firmen beteiligt, denen die rote Stadtregierung, lukrative Geschäftsfelder eröffnet. Den (teilweisen) Gewinn daraus streift dann die Partei ein. Beispiel Gewista: Jeder, der in Wien auf den omnipräsenten Gewista-Flächen wirbt, sponsert, ob er es will oder nicht, indirekt die SPÖ – pikanterweise auch die Konkurrenzparteien der SPÖ im Wahlkampf. Die ÖVP verlangt, dass Einkünfte aus parteieigenen Firmen ebenfalls offen zu legen sind. Die Klubchefs Josef Cap und Karlheinz Kopf , die das Gesetz für die gläsernen Parteikassen zu erarbeiten haben, befinden sich in einer Doppelmühle: Wird das Gesetz eine Schmähparade, müssen sie mit öffentlicher Schelte und einem grünen Volksbegehren rechnen. Wird das Gesetz griffig und streng, wie sie es versprechen, müssen sie es erst einmal ihren lichtscheuen Parteikollegen verklickern.
Und sie müssen ein wirklich griffiges Gesetz erst einmal zustandebringen. Eine Abgrenzung ist nämlich gar nicht einfach: Was ist, wenn Kukident in einem Seniorenmagazin inseriert? Parteisubvention oder wirtschaftliches Interesse? Was ist, wenn ein privater Personenkreis für einen Politiker ein Personenkomitee macht? Müssen diese Leute dann auch ihr Privatgeld offen legen? Oder was ist in den Hunderten Fällen von Parteibällen und Sommerfesten, wenn ein Wirt den Saal zur Verfügung stellt, dafür aber das Catering übernehmen kann, und die Partei den Eintritt kassiert?
Die Debatte pendelt zwischen zwei Extremen: der Gefahr, dass jeder, der bei einer Partei anstreift, kriminalisiert wird. Und der Gefahr, dass das Gesetz ein löchriges Placebo wird, das sofort wieder umgangen wird. „Letztlich helfen nur Offenlegung und ganz strenge Strafen für Verstöße“, meint Josef Kalina , Ex-Bundesgeschäftsführer der SPÖ. Ein Verbot zeichnet sich nach dem Telekom-Skandal jedenfalls ab: Öffentliche Unternehmen werden Parteien nicht mehr sponsern dürfen. Und sollten private Geldgeber durch die Veröffentlichung ihres Namens abgeschreckt werden, dürfte sich der Schaden in Grenzen halten: Erstens, so heißt es aus der Wirtschaft, spenden Firmen jetzt schon sehr wenig. Und zweitens, siehe oben, sind die öffentlichen Förderungen wahrlich hoch genug.
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