Pammesberger: "Mir muss etwas noch Absurderes einfallen als den Politikern"

Pammesberger: "Mir muss etwas noch Absurderes einfallen als den Politikern"
Karikaturist Michael Pammesberger im Interview über Korruption und Politik.

Er setzt die Feder dort an, wo es wehtut und bringt die Eskapaden der Politiker schonungslos auf den Punkt. Lachen dringend erlaubt. Frühstückskaffee in der Werkstatt des KURIER-Karikaturisten. Leuchtkasten, Feder, Tinte, Skizzen, Entwürfe – es sieht nach Arbeit aus. Knapp fünf Stunden bis Redaktionsschluss, noch keine Zeichnung im Kopf, keine Reservezeichnung in der Lade. Michael Pammesberger ist entspannt: "Ich arbeite ohne Netz. Mir wird auch heute etwas einfallen. Mein Platz in der Zeitung ist noch nie weiß geblieben, außer, wenn ich auf Urlaub war."

KURIER: Worüber können Sie herzlich lachen?
Michael Pammesberger:
Ich lache gern, nicht über alles, aber über jeden guten Witz.

Ihr Lieblingswitz?
Es sind nicht die Erzählwitze, ich lache über Bildwitze und Situationskomik.

Darf man über anderer Leute Missgeschick lachen?
Unbedingt! Die Bananenschale ist doch ein Klassiker. Wir lieben sie alle. Meine Arbeit hängt auch sehr mit Missgeschicken zusammen. Das Positive in der Politik ist nicht so mein Thema.

Gibt es überhaupt noch was zu lachen an der Politik?
Vieles. Ich bin keiner, der jammert, dass die Wirklichkeit schon viel absurder ist als die Zeichnungen. Ich finde, mir muss immer etwas noch Absurderes, Blöderes einfallen als den Politikern.

Wird das schwieriger?
Die momentane Korruptionskiste ist schon bedenklich. Da wird eine Tendenz zur Berlusconisierung der Politik spürbar, die ich mit Schaudern beobachte. Es wird absurder, korrupter ...

Apropos korrupt: Was müsste Ihnen ein Politiker bieten, damit er in einer Ihrer Zeichnungen vorkommt?
(Lacht) Ich habe einmal geschrieben und gezeichnet, dass ich wahrscheinlich für zwei Bier käuflich wäre, dass aber kein Mensch bei mir anruft – was ich eigentlich für eine Fehleinschätzung halte. Ich glaube, dass die Wirkung unserer Zeichnungen größer ist, als Politiker ahnen.

Aber bei Ihren Buchpräsentationen und Ausstellungs­eröffnungen sagen Politiker gern ins "Seitenblicke"-Mikro: "In der Karikatur vorzukommen ist die größte Ehre."
Das müssen Sie sagen. Was bleibt ihnen anderes übrig?

Manche sagen auch, dass Sie Ihre Zeichnungen im Büro aufgehängt haben.
Ja, das gibt’s wirklich. Und grundsätzlich muss ich sagen, dass die Politiker ganz oben sehr gut damit umgehen können. Sie wissen, dass es wichtig ist vorzukommen, auch wenn sie in der Karikatur oft härter angegriffen werden. Politiker dürfen nicht dünnhäutig sein.

Wenn Sie selbst Politiker wären, welches Amt schiene Ihnen da angemessen?
Ich bin zwar in einem politischen Feld tätig, aber mir gefällt meine Seite besser als die andere. Ich möchte nicht tauschen, wirklich nicht.

Pammesberger: "Mir muss etwas noch Absurderes einfallen als den Politikern"

Sie sind gelernter Jurist. Juristen gelten an sich als knochentrocken ...
Ja, aber das stimmt nicht. Ich war auch als Jurist nicht knochentrocken.

Sie haben in der Anwaltskanzlei Ihres Vaters gearbeitet, die Sie eines Tages übernehmen sollten. Als Sie sich ganz für das Zeichnen entschieden haben, soll Ihr Vater gesagt haben: "Ein harter Schlag!" Hat er sich mittlerweile von dem Schlag erholt?
Ich glaube, er hat sich gut erholt (lacht). Und ich muss sagen, dass ich das Juristische gar nicht ungern gemacht habe, also das Studium weniger, aber Rechtsanwaltsanwärter war ich gern. Ich musste mich nur eines Tages entscheiden, weil das Zeichnen immer mehr geworden ist. Ich wollte nicht zwei Berufe haben. Da macht man immer einen schlecht.

Ist Ihnen die Entscheidung schwer gefallen?
Am Ende ist sie mir ganz leicht gefallen, weil mein Herz am Zeichnen hängt. Ich habe mir auch keine Hintertür offen gelassen.

Sie waren schon im Kindergarten der beste Zeichner. Stimmt die Geschichte, dass Sie damals beunruhigt waren, weil man über Ihren Freund gesagt hat: "Er hat einen Herzfehler" und über Sie: "Er hat Talent"?
Ja, das war so, und es war traurig, weil der Bub mit dem Herzfehler ständig weg war, bei Operationen ...

Und irgendwann haben Sie erkannt, dass "Talent" kein Krankheitsbild ist?
Es war trotzdem nicht leicht. Ich war Wildwest-fixiert. Das war nicht immer das, was die Kindergärtnerin sehen wollte. Auch in der Schule hab’ ich viel gezeichnet, aber nicht das, was die Lehrer gern gehabt hätten.

Und das setzt sich im Beruf fort. Sie besuchen gern Redaktionskonferenzen, aber Sie hassen "gute Tipps"...
Stimmt. Ich bin nicht der, dem man sagt: "Zeichne rechts den Bundeskanzler, links einen Lastwagen und darauf steht der Vizekanzler." Das gibt’s bei mir nicht.

Was erwidern Sie?
Da kann ich ruppig werden. Aber die Kollegen versuchen es gar nicht mehr.

Und früher?
Früher hab’ ich ihnen den nächstliegenden Zeichenstift in die Hand gedrückt und gesagt: "Mach’s selber!"

Bekommen Sie viele Leserreaktionen?
Ja, Gott sei Dank. Positive und negative.

Sind da auch Tipps dabei?
Natürlich. Denen empfehle ich auch, sie sollen es selber probieren. Aber höflicher. Momentan reißt leider dieser Blog- und Postingstil ein. Das mag ich nicht. Jemandem gefällt eine Zeichnung nicht, sofort reagiert er mit Beschimpfungen aus der untersten Schublade. Kaum jemand setzt sich noch hin und überlegt: Wo setze ich meine Kritik an? Da wird ungefiltert Frust abgeladen.

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Auf Facebook wird man Sie demnach nicht antreffen?
Nein.

Aber Fans posten Ihre Zeichnungen auf Facebook.
Ich habe davon gehört. Und ich muss sagen, ich bin kein Piraten-Freund und kein ACTA-Gegner. Im Gegenteil. Ich finde diese "Copy-Paste-Alles-ist-gratis"-Einstellung falsch. Wenn geistiges Eigentum nicht mehr geschützt ist, führt das zu keiner Qualitätserhöhung.

Sie sind der Meinung: "Karikaturisten müssen die Freiheit haben zu beleidigen." Wo endet diese Freiheit?
Es ist ein Grenzgang. Aber wir müssen an die Grenze herangehen, knapp. Da kann es vorkommen, dass Grenzen überschritten werden. Die Frage ist nur: Was passiert dann?

Im Fall der dänischen Mohammed-Karikaturen kam es zu Morddrohungen ...
Das war völlig deplatziert, völlig überzogen.

Hat Sie das persönlich getroffen?
Schon ein bisschen, weil es mir auch passieren hätte können. Es gibt Tabus in allen Religionen. Aber es gibt auch Standards, die gelten müssen: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Auf Grenzüberschreitungen kann man nicht mit Hand-Abhacken reagieren. Es gibt Instrumente wie Strafgesetze und Zivilgesetze.

Wurden Sie je geklagt?
Nein, aber es wurde mir einige Male angedroht.

Von wem?
Das sage ich nicht.

Hatten Sie je Angst vor persönlicher Rache?
Nein, nie.

Gibt es einen Menschen oder ein Amt, den oder das Sie niemals beleidigen würden?
Nein, sicher nicht. Es soll früher Karikaturistenverträge gegeben haben, in denen stand, dass etwa der Papst nicht zu zeichnen sei. So etwas würde ich nie unterschreiben. Jeder darf gezeichnet werden. Deshalb muss ich aber nicht wie vom wilden Affen gebissen herumrennen und jeden zeichnen und beleidigen, nur weil er der Papst oder Jesus ist.

Würden Sie sich zur Illustration dieses Interviews selbst zeichnen?
Nein, das habe ich immer abgewendet und werde ich auch in Zukunft abwenden. Ich bin zwar schon in meinen Zeichnungen vorgekommen, aber da habe ich mich blond und kugelrund gezeichnet, um mich rauszuhalten. Ich bin kein Karikaturist zum Angreifen.

Blond und kugelrund? Dann müssen wir hier die klassische Frage klären: "Wie beschreiben Sie einem blinden Menschen Ihr Äußeres ?"
Hm ... ungern. Wenn man sagt, ich bin eher groß als klein, liegt man nicht falsch. Und wenn man sagt, meine Nase ist eher groß als klein, liegt man auch nicht falsch.

Sie haben einmal Ihre Lebensgefährtin, die ORF-Journalistin Gabi Waldner, gezeichnet. Die erzählte später in einem Interview, dass sie gar nicht begeistert war von dem, was sie sah.
Also es hat keine Szene gegeben deshalb (lacht) , heute lachen wir darüber. Aber es ist schon schwer, wenn man diesen bösen Blick hat, den man als Karikaturist einfach braucht. Vielleicht ist es gar nicht angenehm, mit diesem Blick betrachtet zu werden ...

Sie heiraten demnächst und lassen sich im Burgenland nieder. Gäbe es eine Regierungskonstellation, bei der Sie Österreich verlassen würden?
Natürlich, aber da ist keine der aktuell möglichen Koalitionsvarianten dabei.

Was heißt das?
Nur wenn hier wirklich faschistische, diktatorische Zustände wären.

Wohin würden Sie gehen?
Gute Frage, wahrscheinlich ins nächstgelegene demokratische Land, um dort bei der Exilzeitung zu arbeiten. Meine Heimatverbundenheit ist sicher so groß, dass ich mich daran beteiligen würde, hier wieder rechtsstaatliche Zustände zu installieren.

Ein Widerstandskämpfer?
Mit meinen Mitteln. Ich würde mit Zeichnungen aus dem Untergrund den jeweiligen Diktator verarschen. Aber, wie gesagt, momentan sehe ich die Gefahr nicht. Und ich würde – das sage ich ganz deutlich – auch nicht vor einer FPÖ-Alleinregierung davonrennen.

Zur Person: Jurist mit Humor

Die Anfänge Der Oberösterreicher Michael Pammesberger (47) zeichnete schon als Kind anders als alle anderen. Seine Ritter und Wildwesthelden tanzten neben den Haus-Baum-Blume-Bildern der anderen Kinder aus der Reihe. Dennoch schrieb die Kindergärtnerin in sein Zeichenheft: "Schön brav weiterzeichnen!" Er hat es bis heute aufgehoben. In der Schule – er besuchte das Stiftsgymnasium Kremsmünster – karikierte er in den Pausen die Lehrer an der Tafel und wurde wegen seines Talents stets als Täter entlarvt. Nach Jusstudium und Gerichtsjahr arbeitete er als Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei seines Vaters in Gmunden.

"MP" 1991 war er einer der Preisträger eines Karikaturenwettbewerbs der "Oberösterreichischen Nachrichten", für die er bald darauf regelmäßig zeichnete. 1997 kam er zum KURIER nach Wien und wurde unter seinem Kürzel "MP" zur Marke. Bis auf einen Sommerakademiekurs in Salzburg absolvierte er nie eine Zeichenausbildung. Über die Ideen seiner Kollegen kann er "herzlich lachen", besonders mag er Deix, Haderer, Pismestrovic und Witzany.

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