Offensive gegen organisierten Sozialbetrug

Offensive gegen organisierten Sozialbetrug
Kriminelle Firmen kosten den österreichischen Staat eine Milliarde Euro pro Jahr. Spezialisten sollen jetzt die "Paten" aufspüren.

Eine Milliarde Euro Schaden pro Jahr. Die organisierte Kriminalität hat den Sozialbetrug als sprudelnde Einnahmequelle entdeckt. Betroffen ist vor allem das Baugewerbe. Aber auch in der Personalleasing-Branche, dem Frachtgewerbe und der Gastronomie wird im großen Stil betrogen. Die Täter – sie stammen aus Ex-Jugoslawien und den Balkanländern – setzen auf eine neue Strategie.

Im Gegensatz zu früher, werden Arbeiter über ihre "Firmen" offiziell bei der Sozialversicherung angemeldet. Somit ist bei überraschenden Razzien durch die Finanz oder Fahndern der Sozialversicherung vorläufig alles korrekt. Im Hintergrund aber läuft bereits der Betrug. Denn an das Abführen von Sozial-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung denkt keiner der "Firmen-Paten". Diese Scheinfirmen beschäftigen bis zu 1000 Mitarbeiter. Frühestens nach zwei Monaten der Anmeldung eines Arbeitnehmers erfolgt durch die Behörden die erste Vorschreibung. Wochen später folgt eine Mahnung; dann die Androhung eines Konkursantrages, darauffolgend der Konkursantrag und schließlich die Insolvenz. Mittlerweile ist mindestens ein halbes Jahr vergangen.

Zehn Kartelle vermutet

"Der Konkurs solcher Firmen ist im Vorhinein beabsichtigt. Die Arbeiter werden dann bei einer anderen dubiosen Gesellschaft angemeldet, der Zyklus beginnt von vorne", erläutert Rudolf Unterköfler, Leiter der Wirtschaftskriminalität im Bundeskriminalamt (BKA). Die Tätergruppen – es werden zehn Kartelle vermutet – sind tief in der organisierten Kriminalität verwurzelt. "Die mit dem Sozialbetrug verbundenen Nebenerscheinungen wie Urkundenfälschung, Kreditbetrug, Erschleichen von Aufenthaltstiteln und die Vergabe von Sub-Sub-Sub-Aufträgen zur Verschleierung der Tatbestände sind hier Alltag", skizziert Unterköfler. Nachsatz: "Diese Paten sind weiters in der Rotlichtszene, im Drogenhandel, der Verschiebung von veruntreuten Fahrzeugen sowie in Frachtbetrug verstrickt."

Sondereinheit

Offensive gegen organisierten Sozialbetrug

Mit 1. Juli rüstete das Innenressort gemeinsam mit dem Sozialministerium, der Finanz und der Sozialversicherung gegen diese kriminellen Personalleasing-Gesellschaften auf. Denn die Banden versuchen nach Wien und NÖ nun in ganz Österreich Fuß zu fassen. Eine mit allen involvierten Behörden vernetzte Sondereinheit soll den Milliardenbetrug stoppen. Unterköfler: "Vorerst sind es zwölf Mann. Wir arbeiten zusätzlich eng mit allen Landeskriminalämtern zusammen." Eine von Sozialminister Rudolf Hundstorfer in Auftrag gegebene Studie war der Auslöser für die Offensive gegen den organisierten Sozialbetrug. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner griff die Empfehlungen sofort auf: "Der Auftrag der Wissenschaft lautet, noch enger zusammenzuarbeiten. Durch ein Frühwarnsystem sollen die Strafverfolgungsbehörden rascher einbezogen werden, um schneller Ermittlungsschritte einleiten zu können."

Erster Erfolg

Ein Etappensieg gegen die Kartelle ist bereits gelungen. So wurde eine Wohnung ausgeforscht – von der aus ein Organisator via Laptop und Handy Hunderte Leasing-Arbeiter steuerte. Auch gefälschte Dokumente wurden gefunden. BKA-Abteilungsleiter Unterköfler spricht bei dieser Kriminalitätsform von mehreren Geschädigten: "Die Wettbewerbsverzerrung ist enorm. Denn korrekte Unternehmen sind teurer und verlieren Aufträge, und der entstandene Milliarden-Schaden muss vom Steuerzahler finanziert werden."

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare