Ötzis letzte Geheimnisse

Ötzis letzte Geheimnisse
20 Jahre nach dem Fund ist der Steinzeitmann ein Publikumsmagnet. Im Museum in Bozen wird die Gletscherleiche bewundert.

Mama, liegt da wirklich eine richtige Mumie drinnen", fragt ein kleines Mädchen mit Pferdeschwanz skeptisch und zupft seiner Mutter ungeduldig am T-Shirt. Doch auch wenn die Neugier der kleinen Sophie groß ist, die Schlange vor dem Fenster in einem etwas abgedunkelten Teil des Südtiroler Archäologiemuseums in Bozen bewegt sich nur langsam weiter.

Erwartungsvoll treten die Besucher an die Glasscheibe, um einen Blick auf eine 1,54 Meter große, 5300 Jahre alte und zwölf Kilogramm schwere Gestalt zu erhaschen. Eine Gestalt, die in ihrer weißen Box winzig wirkt und doch eine der größten Entdeckungen der Welt ist.

Jubiläum

Ötzis letzte Geheimnisse

Seit zwei Jahrzehnten fasziniert Ötzi, der Mann aus dem Eis, Menschen auf der ganzen Welt. 230.000 Besucher strömen jährlich ins Museum, um durch seine Welt zu streifen. Heuer wird die Besucherzahl wohl deutlich nach oben schnellen, denn am 19. September wird Ötzi in seinem zweiten Leben 20 Jahre alt.

"Er ist eine Berühmtheit und gehört zu den ältesten und am besten erhaltenen Mumien der Welt", bringt Museumsdirektorin Angelika Fleckinger die Bedeutung des sensationellen Fundes auf den Punkt. 5300 Jahre überdauerte der Mann aus der Kupferzeit nahezu unversehrt in einem Gletscher der Ötztaler Alpen. Seit 1998 ruht er in Bozen, im Gebäude der ehemaligen Nationalbank, das für über neun Millionen Euro eigens auf ihn ausgerichtet wurde.

Kühlzelle

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"Ötzi ist besser gesichert als Fort Knox", meint Fleckinger mit einem Augenzwinkern. Eigene Filter, Strom und Sicherheitssysteme sorgen dafür, dass die Mumie einerseits perfekt konserviert und andererseits für die Besucher sichtbar aufbewahrt werden kann.

Bozen hat sich auf Ötzis Einzug gewissenhaft vorbereitet. Im Krankenhaus Meran wurde ein Prototyp der Kühlzelle aufgebaut. "Drei Jahre lang haben die Forscher experimentiert, unter welchen Bedingungen der Leichnam gelagert werden muss", erzählt die 40-Jährige.

Selbst wenn Ötzi untersucht wird, verlässt er die "Sicherheitszone" nicht, sondern wird in einen Raum dahinter geschoben. "Sollte mit der Box etwas nicht stimmen, steht eine zweite bereit. Und für den Fall, dass das Gebäude gefährdet ist, hat das Krankenhaus Bozen ein eigenes Konservierungssystem für die Mumie."

Im Jubiläumsjahr zeigt das Museum in einer Sonderausstellung (Life. Science. Fiction Reality. Ötzi) eine große Bandbreite: Entdeckung, Lebensumstände, Forschungsergebnisse, Medienrealität sowie Fiktionen und Fragen, die sich um den Mythos Ötzi ranken. Das Interesse scheint ungebrochen. Denn trotz herrlichen Bergwetters tummeln sich unzählige Menschen verschiedenster Sprachen auf der vier Etagen umfassenden Ausstellungsfläche.

"Das ist die Kleidung, die der Ötzi angehabt hat", erklärt Andreas Säumel aus Leoben seiner sechsjährigen Tochter Catharina. "Meine Frau hat sich gestern verletzt. Deshalb sind wir heute im Museum." Bereut hat die Familie das Alternativprogramm nicht. Nur die Mumie wollte sich die Kleine nicht anschauen. "Die ist viel zu gruselig", meint sie und drückt sich an ihren Vater. Doch die meisten kommen, um den echten Ötzi zu sehen. "Das Original ist doch etwas anderes, als Bilder und Fotos", betont die Berlinerin Anke Liebe-Schultz.

International

Bozen ist durch den Eismann bunter geworden. "Städtereisende machen nicht mehr nur in Rom oder Venedig Halt, sondern planen wegen des Ötzi auch Bozen als Ziel ein", erzählt Fleckinger. Interaktive Stationen, Filmsequenzen und eine Rekonstruktion des Eismannes sollen den Besuchern aus aller Welt helfen, in die Kupferzeit einzutauchen.

"Wir haben im Internet zwar gelesen, dass Ötzi in Südtirol gefunden wurde, aber dass er hier liegt war eine tolle Überraschung für uns", zeigen sich Jordi und Eva aus Barcelona begeistert und starren gebannt auf die Mumie hinter der Glasscheibe.

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