Nigeria: "Teilung wäre wie Explosion"
Auf dem Mogadischu-Markt geht jeden Abend die Post ab. Schon von Weitem ist der intensive Geruch von gegrilltem Fisch wahrzunehmen. Zubereitet von den Frauen jener nigerianischen Soldaten, die in der angrenzenden Kaserne hier in der Hauptstadt Abuja untergebracht sind. Heiße Rhythmen überlagern das hektische Treiben. Dazu fließt jede Menge Bier der Nationalmarke "Star". Ausgelassen ist die Stimmung, doch ganz so unbeschwert wie vor dem 24. Dezember 2010 ist hier niemand mehr.
Damals schlug die islamistische Terrorgruppe Boko Haram zu, die sich als "nigerianische Taliban" versteht. Bei dem Bombenattentat, das sich gegen die Armee und gegen die Ausschank von Alkohol richtete, starben Dutzende Menschen. Seither werden beim Markt alle Taschen kontrolliert, fotografieren ist untersagt. Nach diversen anderen Anschlägen – auch das UN-Hauptquartier in Abuja wurde attackiert – wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv hochgefahren. Vor dem Hilton-Hotel etwa sind Polizisten mit schusssicheren Westen positioniert.
Christen als Ziel
Ins Visier nimmt Boko Haram (übersetzt: "westliche Bildung ist Sünde") vor allem Christen. Deswegen spricht der Präsident der Christlichen Vereinigung Nigerias, Ayo Oritsejafor, im Gespräch mit österreichischen Journalisten von einer "Christenverfolgung". Radikale Kräfte, die im muslimischen Norden breite moralische und finanzielle Unterstützung genießen würden, wollten eine Islamisierung des Landes. "Die Terroristen wurden teilweise in Somalia, Algerien, Mali und sogar in Afghanistan ausgebildet und unterhalten Beziehungen zu extremistischen Predigern in Europa", sagt Oritsejafor.
In Koranschulen würden schon Kinder indoktriniert, die später Anschläge auf Kirchen durchführten. "Es wurde ein Monster geschaffen", sagt der Kirchenmann, der vor der weiteren Eskalation warnt: "Unsere Leute haben nach Waffen gefragt. Wir haben natürlich keine und sie aufgerufen, keine Vergeltung zu üben. Doch wenn Christen angegriffen werden, haben sie das Recht, sich zu verteidigen."
Dialog
Der Konflikt der Konfessionen kam auch im Gespräch zwischen Präsident Goodluck Jonathan und Österreichs Außenminister Michael Spindelegger am Donnerstag zur Sprache. Das Jonathan verwies dabei auf die Anfälligkeit der Jugend (die im armen muslimischen Norden kaum Perspektiven hat) für extremistische Ideen. Spindelegger forderte einen intensiveren interreligiösen Dialog und lebte ihn gleich vor: Nach dem Gedankenaustausch mit Abujas Erzbischof John Onaiyekan fuhr er direkt in die größte Moschee der Stadt. Auch der dortige Imam setzt auf Dialog und betont, dass manche den Koran für ihre Zwecke missbrauchen würden.
In Nigeria teilen sich die knapp 170 Millionen Menschen in etwa 50:50 auf die beiden großen Religionsgruppen auf. Mobilisierung läuft auf beiden Seiten, auch auf christlicher. Im Süden wurde ein gigantisches Kirchenareal geschaffen, das einer Million Betenden Platz bietet. An Spenden mangelt es trotz Armut nicht – meist wird ein Zehntel des Lohns abgeliefert, was den Freikirchen zu sattem Reichtum verhilft. Mit den Mitteln werden Gotteshäuser gebaut, Bibelkongresse organisiert und Propagandaaktivitäten, TV und Radiostationen finanziert.
Einige befürchten eine Teilung Nigerias in einen muslimischen Norden und einen christlichen Süden. "Ich bete, dass es nicht dazu kommt", sagt Oritsejafor, "denn das würde eine riesige Explosion bedeuten."
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