Niederlande: Euro-Gegner in der Defensive

Niederlande: Euro-Gegner in der Defensive
Der Linke Emile Roemer wurde schon als nächster Premier gehandelt, versagte aber im Wahlkampf kläglich.

Mit der richtigen Dosis Europa-Skepsis lässt sich selbst in den e­uropafreundlichen Niederlanden gut Wahlkampf machen. Emile Roemer, Chef der weit links stehenden Sozialisten, wusste dies für sich zu nutzen. Je mehr der 61-jährige ehemalige Volksschullehrer dagegen wetterte, mehr Kompetenzen an Brüssel abzugeben, umso steiler stiegen seine Popularitätswerte. Er kritisierte die Macht der Banken, die halsbrecherischen Zinsen für Kreditnehmer und feuerte scharf gegen diverse Sparvorhaben der Regierung.

Schon wurde Roemer als möglicher Sieger der vorgezogenen Parlamentswahlen am Mittwoch gehandelt. Und schon verstiegen sich niederländische Medien in Spekulationen darüber, wie es denn wohl sein würde, wenn die Sozialisten – in den 70er-Jahren immerhin noch gläubige Maoisten – nun die Macht im Land übernehmen würden.

Der volksverbundene, gemütliche Linke Roemer, der von Den Haag aus Deutschlands Kanzlerin Merkel und ihre strengen Sparvorgaben das Fürchten lehren wollte, schien nicht zu stoppen. Doch dann kamen die beiden Fernsehdebatten, und der niederländische Hoffnungsträger der europaskeptischen Sozialisten stank so richtig ab. Beide Male wurde Roemer von den Fernsehzuschauern zum schlechtesten aller anwesenden Diskutanten gewählt. Plötzlich wirkte er zaudernd, naiv, witzlos und dröge, was die Niederländer an Roemer bisher als "gemütlich" und "gelassen" empfunden hatten. Er sei eben ein "Onkel Emil vom Land" twitterte sein Mitdiskutant Geert Wilders bissig.

Nur Vierter

Doch auch der wasserstoffblonde, rechte Chef der "Partei für die Freiheit" PVV wird bei diesem Urnengang Federn lassen müssen. Umfragen sagen seiner PVV nur den vierten Platz voraus. Nicht Wilders’ rabiater Kampf gegen den Islam, Kopftuchträgerinnen und Einwanderer überhaupt, sondern die Euro-Krise und die Angst vor dem Wohlstandsverlust waren die bestimmenden Themen des Wahlkampfes.

Und dabei hat Wilders die Händlernation gehörig verschreckt: Mit einem Austritt aus dem Euro, gar aus der EU, wie ihn Geert Wilders verlangt, wollen die wenigsten Niederländer etwas zu tun haben. Zudem kreidet ihm so mancher seiner früheren Wähler an, die rechts-liberale Regierung von Premier Mark Rutte gesprengt zu haben. Wilders hatte sich geweigert, Kürzungen zuzustimmen. Diese aber sind unumgänglich, wollen die Niederlande nicht gegen den europäischen Stabilitätspakt verstoßen.

Phönix aus der Asche

Niederlande: Euro-Gegner in der Defensive

Wie Phönix aus der Asche der Fernsehdebatten stieg hingegen ein anderer hervor: Diederik Samsom (41) verwandelte sich nach zwei fulminanten TV-Auftritten in einen absoluten Publikumsliebling. Schlagfertig, witzig und messerscharf deklassierte der Chef der gemäßigten Sozialdemokraten seine Gegner und versprach, was die Niederländer derzeit gerne hören: Behutsames Sparen, Investitionen in die Bildung, bezahlbares Wohnen und ein leistbares Gesundheitssystem.

In den Umfragen liegt Samsom nun mit dem rechts-liberalen Noch-Premier Rutte Kopf an Kopf an der Spitze.

Kifferdebatte sorgt für Rauch im Wahlkampf

Niederlande: Euro-Gegner in der Defensive

In der heißesten Phase des Wahlkampfs heizt der Cannabis-Streit die Debatten weiter an. Mit ihrer "Cannabus"-Tour rühren Coffee-Shop-Betreiber die Werbetrommel für den Sozialisten-Spitzenkandidaten Emile Roemer (SP). Gemeinsam kämpfen sie für den Fortbestand der l­iberalen Drogenpolitik in den Niederlanden.

Seit Mai ist in drei Provinzen im Süden des Landes der Verkauf von Cannabis an Ausländer verboten. Dort sind mit der Einführung des "Wietpas" die Einnahmen der Coffee-Shop-Besitzer spürbar zurückgegangen. Einheimische Kiffer müssen sich registrieren lassen, um in den Coffee-Shops "Gras" kaufen zu können. Ausländern bleibt Haschisch völlig verwehrt.

Besonders in Maastricht klagen die Betreiber über drastische Umsatzrückgänge. Durch das Ausbleiben der größtenteils deutschen, belgischen und französischen Kiffer-Touristen sehen sie sich in ihrer Existenz bedroht.

Aus Angst vor der Ausweitung des "Hasch-Passes" auf das ganze Land, wie sie die gescheiterte Regierung von Premier Rutte geplant hatte, werben nun die Coffee-Shop-Betreiber für Roemer. Sie touren mit ihrem ausgebauten "Cannabus" durchs Land. Ausgestattet mit Plakaten und Soundanlage wollen sie vor allem die lokale Bevölkerung und Politiker gegen den "Wietpas" mobilisieren und von den Vorteilen der Coffee-Shops überzeugen.

Bereits vor Beginn ihrer Tour traf sich die Cannabis-Bewegung mit der SP. "Wir brauchen euer Know-how und eure Erfahrung", sollen SP-Politiker gesagt haben. Sie sehen den kontrollierten Verkauf von Cannabis in den Shops als Lösung, um gegen Straßendealer und gegen den Kontakt der Bevölkerung mit harten Drogen vorzugehen.

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hintergrund

Kommentare