Nach Blutbad: Türkei jagt PKK im Nordirak

Nach Blutbad: Türkei jagt PKK im Nordirak
Nach einem der blutigsten PKK-Angriffe mit 26 Toten startete Ankara eine Offensive gegen Guerilla-Camps im Nordirak.

Die Angreifer kamen im Schutz der Nacht, die Soldaten in der Armee-Unterkunft in der türkischen Stadt Cukurca schliefen tief und fest - und hatten keine Chance. Gegen ein Uhr eröffneten die Kämpfer der Kurden-Guerilla PKK am Mittwoch das Feuer auf den Außenposten des Militärs hart an der Grenze zum Irak. 18 Uniformierte starben in dem Kugelhagel.

Damit nicht genug: Zeitgleich wurden an sieben weiteren Punkten im Südosten der Türkei Armee- und Exekutiv-Einheiten attackiert. Die Gefechte dauerten bis in die Morgenstunden, dann zogen sich die rund 100 Rebellen wieder in ihre Camps im Nordirak zurück, wo rund 2000 PKK-Kämpfer vermutet werden. Mit insgesamt 26 getöteten Soldaten und Polizisten war es einer der blutigsten Tage in der langen Geschichte des Konflikts.

Die Antwort der türkischen Regierung ließ nicht lange auf sich warten. Vom Fliegerhorst in Diyarbakir stiegen vier Kampfjets auf. Ihre Mission: Die Bombardierung mutmaßlicher PKK-Lager in den Kandil-Bergen an der Grenze sowie nahe der nordirakischen Stadt Erbil (siehe Grafik) . Auch Bodentruppen sollen an der Aktion beteiligt gewesen sein, bei der laut türkischen Medien mindestens 23 PKK-Aufständische getötet wurden.

Zuvor hatte schon Abdullah Gül die Linie vorgezeichnet: "Diejenigen, die uns diesen Schmerz bereitet haben, werden den gleichen Schmerz erleiden." Es werde eine "große Rache" geben, zeigte sich der Staatspräsident martialisch. Premier Recep Tayyip Erdogan und einige Minister sagten lange geplante Auslandsreisen ab, um in Krisentreffen die weitere Vorgangsweise zu erörtern.

45.000 Tote

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Denn die Lage scheint den Verantwortlichen zu entgleiten. Bereits am Vortag hatte vermutlich ebenfalls die PKK einen Sprengstoff in Güroymak im Südosten der Türkei gezündet - fünf Polizisten und drei Zivilisten, darunter zwei Kinder, wurden getötet.
Insgesamt wurden in der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen der PKK ("Arbeiterpartei Kurdistans"), die 1984 in den Untergrund ging, um für mehr Rechte der Kurden zu kämpfen, und der Zentralgewalt in Ankara 45.000 Menschen getötet.

"Die Ereignisse der vergangenen beiden Tagen stellen eine dramatische und besorgniserregende Entwicklung dar", sagt Gerald Knaus von dem in Istanbul ansässigen Think Tank "European Stability Initiative" im KURIER-Gespräch, "und einen Riesen-Rückschritt für die Beilegung des Kurden-Konfliktes." Dabei sei man sich in Geheimgesprächen schon sehr nahe gekommen.

"Wir sagen ,Stopp'"

Für die gemäßigte Kurdenpartei BDP, die heuer bei den Wahlen immerhin 36 Abgeordnete ins (550 Sitze umfassende) Parlament gebracht hatte, sind die blutigen Anschläge ein herber Rückschlag für ihre derzeitigen Bemühungen. Sie zeigte sich entsetzt und reagierte ungewöhnlich scharf. "Diese Angriffe brechen uns das Herz. Wir sagen ,Stopp'", hieß es in einer Aussendung. Hintergrund: Die BDP verhandelt mit den anderen Parteien gerade eine neue Verfassung, die demokratischer sein und auch den Kurden mehr Rechte einräumen soll. Sie fürchtet jetzt, dass der Spielraum für Konzessionen viel geringer geworden ist.

Der Österreicher Gerald Knaus: "Radikale auf beiden Seiten haben kein Interesse an einer Einigung. Ihnen ist jedes Mittel recht, eine Kompromissformel zu hintertreiben."

PKK: Die kurdische "Arbeiterpartei"

Anfänge Die PKK wurde 1978 als kurdisch-marxistische Organisation gegründet. 1984 begann sie den bewaffneten Kampf.

Öcalan-Festnahme 1999, nach der Festnahme ihres Anführers Öcalan, erklärte sie den Aufstand für beendet. 2004 wurde die Waffenruhe jedoch aufgekündigt. Seit 1984 starben 45.000 Menschen.

Zersplitterung
Heute agieren viele Gruppen, die auf der PKK basieren (KADEK, KONTRA GEL, TAK). Laut türkischen Quellen sollen sie etwa 2000 Kämpfer unterhalten.

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