Merkwürdige Ruhe in Großbritannien

Gute Umfragewerte und eine schwache Opposition sichern Englands Konservativen eine komfortable Führungsposition.

Steigende Arbeitslosigkeit, stockender Konsum, fallende Immobilienpreise: Auch in Großbritannien braut sich in diesem Herbst eine explosive Mischung für die nächste Krise zusammen. Politisch aber bleibt es trotzdem merkwürdig ruhig.

Zum Auftakt der Parteitags der regierenden Konservativen befindet sich Premier Cameron in einer überraschend komfortablen Position. Die Labour-Opposition hat sich auf ihrem gerade absolvierten Parteitag vor allem mit sich selbst und der Aufarbeitung alter Fehler aus der Zeit von Tony Blair beschäftigt. Parteichef Ed Miliband gelingt es einfach nicht, seine Partei auf den von ihm angesteuerten Kurs links der Mitte zu lenken. Entsprechend schwach bleiben trotz Wirtschaftskrise und Politikfrust Labours Umfragewerte.

Die mit den Konservativen regierenden Liberaldemokraten werden von ihren Wählern offensichtlich immer noch für die strenge Sparpolitik und die Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich - Stichwort Studiengebühren - verantwortlich gemacht. Das gibt den Konservativen, zu einem Zeitpunkt, an dem Regierungen normalerweise schwächeln, eine solide Mehrheit in den Umfragen - und Premier Cameron auf diesem Parteitag die Chance, seine Führungsrolle in der Wirtschaftskrise zu präsentieren.

Entsprechend deutlich rückte der Premier schon zur Eröffnung des Parteitages in Manchester Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft in den Mittelpunkt seiner öffentlichen Äußerungen: So sollen verwaiste Baugründe Immobilienunternehmern vorerst kostenlos überlassen werden. Gezahlt wird erst, wenn Käufer für die neuen Häuser gefunden sind.

Klar pro Europa

Deutlich in die Schranken weisen will der Premier auch den rechten Flügel seiner Partei. Der drängt wie immer auf massive Steuererleichterungen und natürlich auf den traditionellen Anti-EU-Kurs. Man fordert die schon lange in Aussicht gestellte Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft.

Doch selbst mitten in der Euro-Krise will Cameron davon nichts wissen. "Ich will nicht, dass Großbritannien die EU verlässt. Ich glaube, das ist die falsche Haltung", macht er in einem Interview mit der BBC deutlich.

Ganz auf Linie auch der lange so deutlich EU-skeptische Außenminister William Hague. Er nennt jetzt die Union sogar eine "mächtige gemeinsame Stimme für das Gute in der Welt."

Cameron entschuldigt sich für "Schätzchen"

Fortschrittlicher Familienvater, verständnisvoller Ehemann: So präsentiert sich David Cameron als Privatmann. Doch seit ein paar ziemlich missglückten Scherzchen in der Öffentlichkeit muss sich der Premier auch von Frauen aus der eigenen Partei den Vorwurf anhören, ein ziemlicher Macho zu sein. So hatte er vor Kurzem eine Parteikollegin, die sich im Parlament über das Abtreibungsgesetz empörte, mit ziemlich zweideutigem Unterton als "total frustriert" bezeichnet. Eine Labour-Parlamentarierin schasselte er im Frühjahr mit den Worten, "Komm einmal runter, Schätzchen" ab. Jetzt entschuldigte sich der Premier in einem Interview mit der Sunday Times für seine respektlosen Äußerungen. Es sei ganz allein sein Fehler, dass seine Bemerkungen zu teilweise heftigen Debatten geführt hätten. "Was ich besonders frustrierend finde", gab sich der Premier Mühe, sein angekratzes Image wieder aufzupolieren: "ist, dass ich ja nicht so ein Typ bin, der sagt: ,Okay, Schatz, ich bin heute Abend im Pub'. Aber so bin ich offenbar rübergekommen."

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