Medienskandal: Cameron in der Bredouille

Medienskandal: Cameron in der Bredouille
Reporter sollen das Handy eines ermordeten Mädchens gehackt haben. Großbritanniens Regierungschef kommt ins Strudeln.

Großbritanniens konservativer Regierungschef David Cameron gerät immer heftiger in den Strudel um illegale Abhörmethoden, geschmierte Polizisten und bloß gestellte Prominente: Nachdem bekannt wurde, dass das Revolverblatt News of the World aus dem Medienimperium von Rupert Murdoch nicht nur Promis, sondern sogar die Handy-Box eines entführten und ermordeten Mädchens abgehört haben soll, forderte der Premier am Mittwoch im Unterhaus eine eingehende Untersuchung.

Auslöser: Reporter sollen, so der Vorwurf, die Handy-Mailbox des Kindes nicht nur abgehört, sondern sogar alte Meldungen gelöscht haben, um Platz für neue Konversationen zu schaffen. Auf diese Weise wurden Eltern und Polizei in den Glauben versetzt, die kleine Milly könnte noch leben. Wer sonst sollte die Meldungen löschen, als sie selbst. Dabei hatte sie ihr Kidnapper längst ermordet. Die Eltern des 2002 im Alter von 13 Jahren entführten Mädchens wollen gegen die Zeitung vor Gericht ziehen.

Die Polizei untersucht jetzt, ob ähnliche Praktiken vielleicht auch bei anderen Entführungsfällen, etwa bei der noch immer vermissten Madeleine McCann eine Rolle spielen könnten. Auch Angehörige der Opfer der Terroranschläge vom 7. Juli 2005 sollen abgehört worden sein, heißt es. Damit nicht genug: Polizeibeamte sollen den Reportern gegen Bezahlung Informationen zugeschoben haben.

Heikler Zeitpunkt

E-Mails mit angeblichen Beweisen dafür übergab die Zeitung News of the World am Mittwoch den Ermittlern. Die Labour-Partei legte Rebekah Brooks den Rücktritt als Chefin der britischen Tageszeitungen von Murdochs Konzern News Corp nahe. Sie war zur fraglichen Zeit Chefredakteurin bei News of the World, will aber nichts von den Methoden gewusst haben.

Die britische Öffentlichkeit schäumt. Auch deshalb, weil Cameron mit Brooks befreundet ist. Sie und ihr Ehemann waren wiederholt in Camerons Landhaus. Für den Medienzaren Murdoch kommt der Skandal ebenfalls zu einem heiklen Zeitpunkt. Er setzt gerade alles daran, mit News Corp den britischen Satellitensender BSkyB zu übernehmen. Nun ist fraglich, ob der Deal über die Bühne gehen kann. Es ist nicht das erste Mal, dass News of the World in Misskredit ist. Diesmal haben die Anzeigenkunden sofort reagiert und lukrativen Aufträge storniert.

Rupert Murdochs Medienimperium

Hinter News of the World steht das zum Medienkonzern von Rupert Murdoch gehörende britische Unternehmen News International. Dort hieß es, man sei in "großer Sorge" und werde eine eigene, interne Untersuchung beginnen.

Zur Zeit des Milly-Falles war Rebekah Brooks Chefredakteurin des Blattes. Sie ist mittlerweile Vorstandschefin von News International, zu dem auch die renommierte Times gehört. Sie sei "erschüttert und entsetzt" über die Vorwürfe, teile Brooks am Dienstag in einem Statement mit. Sie habe von derartigen Vorfällen in ihrer Zeit als Chefredakteurin nichts gewusst.

Es werde eine umfassende interne Untersuchung geben, deren Ergebnisse zuerst die Familie von Milly erfahren solle, schrieb Brooks weiter. News International habe der Polizei volle Kooperation angeboten. "Sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, dann kann ich versichern, dass es die härtesten Konsequenzen geben wird, da dieses Unternehmen solch beschämendes Verhalten nicht duldet."

Großbritannien reagierte am Dienstag geschockt auf die neuen Vorwürfe. Premierminister David Cameron sagte, falls diese richtig seien, handle es sich um eine "unglaublich schreckliche Tat". Der Mörder von Milly war im Juni zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

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