Lottofieber: Sechs sells

Lottofieber: Sechs sells
Fünffach-Jackpot: Wer abgesehen von den Glückspilzen bei dem Zahlenspiel profitiert.

Heute ist Schluss. Annahmeschluss. Schlag 18 Uhr geht nichts mehr.
Wer bis dahin seinen Lottotipp abgegeben hat, ist dabei bei der Zehn-Millionen-Euro-Sause um 19.17 Uhr (ORF 2). Irgendwie zumindest.
Emotional auf jeden Fall: Hunderttausende werden sich heute Gedankenspielen hingeben, wie das denn so wäre mit zehn Millionen Euro, oder wenigstens fünf, man will ja nicht unverschämt sein.

Faktisch schaut's schon weniger rosig aus. Dem Gewinn steht die Wahrscheinlichkeitsrechnung entgegen, und die besagt ganz ohne Träumerei, dass die Chance bei einem abgegebenen Tipp (kostet 1,10 Euro) bei 1 zu 8.145.060 steht.

Michael Engel, Mathematiker mit Faible für die (Un-)Möglichkeiten des Glücksspiels (www.zauberschloss.at) , erklärt das so: "Stellen Sie sich einen riesigen Ballon vor. Darin befinden sich über acht Millionen Tischtennisbälle, und nur ein einziger hat einen Punkt draufgemalt. Sie greifen da jetzt hinein und krallen sich zufällig genau den einen mit dem Punkt - das ist der Lottosechser."

78.000 Jahre ist die durchschnittliche Wartezeit bei einem Tipp, erklärt Engel weiter, es braucht also rund 1000 Leben, um nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit einen Lotto-Sechser einzufahren. Oder einen Tag. Auch das ist Wahrscheinlichkeit.

Zwölf Millionen Tipps

Für die Lotterien ist so ein Jackpot ein Glücksfall. Rekordverdächtige zwölf Millionen Tipps werden für Sonntag erwartet. Die zehn Millionen im Topf, die seit Donnerstag auf allen Kanälen lautstark beworben werden, lukrieren einen Mehrwert und lassen viele mitspielen, die sonst die Finger vom Glücksspiel lassen. "Das ist natürlich sehr im Sinne der Lotteriegesellschaft", sagt Engel, "die Jackpots sollen ja passieren, sind fixer Bestandteil des Spiels."

In Italien beispielsweise wird die Jackpot-Hysterie auf die Spitze getrieben (s. Artikel re.). Beim dortigen Lotto 6 aus 90 liegt die Wahrscheinlichkeit auf den Hauptgewinn bei nur 1 zu 622 Millionen. Monatelang wird hier oft kein Sechser getippt, bei astronomischen 178 Millionen lag der jüngste Jackpot.
Auch bei den EuroMillionen hat man nachjustiert, um mehr Jackpots zu kreieren. Ursprünglich lag die Wahrscheinlichkeit auf den Hauptgewinn bei 1 zu 76 Millionen ( "5 aus 50 plus 2 aus 9" ). Im Mai wurde die Formel auf "5 aus 50 plus 2 aus 11" verändert. Nebeneffekt: Die Wahrscheinlichkeit auf den Haupttreffer liegt nur noch bei 1 zu 117 Millionen. Jackpots häufen sich.

185 Millionen Euro

Engel kritisiert auch, dass der Bärenanteil des ausgeschütteten Geldes in den ersten Rang wandert, sich die niederen Ränge aber kaum lohnen. "Was macht man denn mit 185 Millionen (der bis heute höchste EuroMillionen-Gewinn, Anm.) ? Das ist dann kein Gewinn mehr, sondern eine Belastung. Oder zumindest eine sehr große Verantwortung."

Er wünscht sich deshalb, dass ein Jackpot schon im Vorfeld geteilt wird: "Es wär doch viel schöner, den Lottospielern bei einem Jackpot die doppelte Gewinnchance zu bieten, indem es zwei Ziehungen gibt." Die Folge: Weniger "Mehrfach-Millionäre", mehr "Einfach-Millionäre."

Aus Sicht der Lotterien sprechen hier und vor allem heute Abend zehn Millionen Gründe dagegen. Und aus Sicht des Finanzministeriums sowieso. Nur 49 Prozent des eingesetzten Geldes werden wieder ausgeschüttet, der Rest geht an die Annahmestellen (8 % als Provision), die Lotterien (8 % für Infrastruktur, Werbung, Verwaltung etc.) und an den Fiskus (35 Prozent).

Für den Bund (und letztlich die Allgemeinheit) ist das ein Bombengeschäft. 756 Millionen Euro betrug der Umsatz 2010 allein bei Lotto inkl. Joker, der Gesamtumsatz der Lotterien lag sogar bei 2,6 Milliarden - Reingewinn für die Finanz: 389 Millionen Euro. Hochgerechnet auf die Einwohnerzahl Europas wären das 24 Milliarden, immerhin ein Neuntel des (bisherigen) Griechenland-Paketes.
Da kriegt vielleicht sogar die Finanzministerin Lust auf mehr: Beim letzten Fünffach-Jackpot wurden mehr als 90 Prozent aller möglichen Tipps gespielt. Die Wahrscheinlichkeit, dass uns erstmals ein Sechsfach-Jackpot ins Haus steht, liegt also bei rund 10 Prozent.

Rekorde, Kopfstände, Aberglaube und ein Millionen-Trinkgeld

Im Juli 2011 knackte das schottische Ehepaar Colin (64) und Chris Weir (55) Europas bisher höchsten EuroMillionen-Jackpot: 185 Millionen Euro.
Wenn in Spanien in der Vorweihnachtszeit von "El Gordo" (Der Dicke) die Rede ist, handelt es sich um einen Gesamtgewinn von 2,3 Milliarden Euro und die weltweit größte Lotterie. In den katalanischen Ort Sort, der übersetzt "Glück" heißt, pilgern jährlich Tausende, um Lose zu kaufen. Innerhalb von zehn Jahren gab es fünf Hauptgewinner, die ihr Los dort erwarben.

Fast sieben Monate lang hatte kein Spieler Italiens die sechs Richtigen (aus 90 Möglichen!) getippt. Das toskanische Dorf Bagnone stand Kopf, weil der Gewinner des 147-Millionen-Euro-Jackpots von dort stammte. Bis heute ist seine Identität unbekannt. Ein Jahr später der nächste Rekord: 178 Millionen fanden 70 Gewinner.
Statt ein Trinkgeld zu geben, teilte der Polizist Robert Cunningham mit der Kellnerin seines Stammlokales nahe New York einen Lottoschein - der gewann. Die sechs Millionen Dollar teilte er mit der Servierkraft. Die Story wurde zur Vorlage für den Film " It could happen to you " mit Bridget Fonda und Nicholas Cage.

Ein unglaublicher Zufall ereignete sich 2010 bei einer Lottoziehung in Israel. An einem Samstagabend wurden die exakt gleichen Lottozahlen wie im Vormonat gezogen. Laut dem israelischen Statistikprofessor Zvi Galula liegt die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses binnen weniger Wochen bei eins zu vier Billionen.

Statt ein Trinkgeld zu geben, teilte der Polizist Robert Cunningham mit der Kellnerin seines Stammlokales nahe New York einen Lottoschein - der gewann. Die sechs Millionen Dollar teilte er mit der Servierkraft. Vorlage für den Film " It could happen to you " mit Bridget Fonda und Nicholas Cage.

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