Linke: Der unaufhaltsame Aufstieg Sahras

Linke: Der unaufhaltsame Aufstieg Sahras
Im kurzen Leben der deutschen Linken wurde Sahra Wagenknecht zur Galionsfigur, nun wird sie in der Krise wohl auch die Chefin.

Die schwarzen Haare hochgesteckt wie bei ihrem Idol, der 1918 ermordeten Kommunistin Rosa Luxemburg sind ihr Markenzeichen: Sahra Wagenknecht ist die neue Vorzeige-Frau der „Linken“. Mag deren Urvater aus SED-Zeiten, Gregor Gysi, pointierter und Dietmar Bartsch, der männliche Favorit für das Amt des Parteichefs, besonnener reden – Wagenknechts Talkshow-Präsenz schlägt alle. Ein neues Gesicht, von Bild geadelt mit dem Blatt-typischen Prädikat „die schöne“.

Optik

Hier irrt der Gefühlsjournalismus nicht. Kaum eine Frau im Bundestag achtet so auf ihr Äußeres. Zwischen bewusst jugendlich-schlampig bis proletarisch-schäbigen Kolleginnen links von der CDU und oft erheiternd entgleisten Grünen fällt die 42-Jährige auf: Immer modisch dezent, gut geschminkt und scheinbar gebräunt, lebt Sahra Wagenknecht die gutbürgerliche Optik. Die gipfelte bei ihrer Hochzeit im weißen Brautkleid in Venedig.

Biografisch und politisch ist Wagenknecht hingegen eine lupenreine Kommunistin – mit parteiinterner Nachrede des Opportunismus und kalter Karriere-Planung. Geboren in Jena als Tochter einer Ostdeutschen und eines früh aus deren Leben entschwundenen Iraners, trat sie sechs Monate vor dem Mauerfall der SED bei, die DDR war noch lange nach deren Untergang für sie ein Opfer des Westens.

Nach dem Studium kam sofort die Politik: Arbeit in der Wirtschaft kennt Wagenknecht, wie sie einmal zugab, nur aus Büchern, überwiegend von Marx und Gefolgsleuten. Das ist so wenig untypisch für Genossen wie ein behaglicher Lebensstandard: Die stellvertretende Partei- und Fraktionschefin hat drei Wohn­adressen – in Berlin, in ihrem Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen und neuerdings in Saarbrücken.

Denn vom Journalisten-Mann aus der Gondel ist sie schon lange getrennt, sie lebt nun meist mit dem „Linken“-Altstar Oskar Lafontaine, 68, in dessen Villa. Der unermüdliche Kämpfer für Arme und Unterdrückte des Kapitalismus, zugleich Erzfeind der SPD, deren Chef er einmal war, lebt von seiner dritten Frau getrennt.

Ehrgeiz

Wagenknecht ist vorbereitet auf eine Führungsrolle der Linken: Bis 2010 war sie Führungsmitglied der „Kommunistischen Plattform“, der extremsten und deshalb vom Verfassungsschutz beobachteten Partei-Formation. Neuerdings gibt sie sich in Talkshows, die sie mit steigender Frequenz einladen, als nachdenkliche Idealistin, die Privateigentum, soziale Marktwirtschaft und Wettbewerb stoisch als längeres Übergangsstadium bis zum Sieg des Proletariats erträgt: „Ich bin pragmatischer geworden, in die Mitte gekommen“, sagt sie jetzt.

Das befähigt Wagenknecht plötzlich zur Kompromisskandidatin im erbitterten Streit zwischen dem pragmatisch mitregieren wollenden Ostflügel und dem Westflügel aus Altlinken und frustrierten Gewerkschaftern in Basis-Opposition. 2007 wahltaktisch von Gysi und Lafontaine vereint, stehen die Linken nun kurz vor der Scheidung, seit sie dank der Protest-Konkurrenz der Piraten aus fast allen Landtagen fliegen und in den Umfragen sich auf sechs Prozent halbiert haben.

Die nur eine Woche haltende Selbstkandidatur des alten Zugpferds Lafontaine für den Parteichef– wie so vieles in seinem Leben rasch wieder hingeschmissen – gilt vielen Genossen als geplanter Schub für seine Lebensgefährtin. Die Chancen sind groß, dass sie am Parteitag am 2. Juni dieses Jahres der sehr weibliche Teil in der neuen Doppelspitze wird. Das dementiert auch sie nicht mehr.

 

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