Korruptionsfall belastet die EU-Kommission
Geht es um die Europa-Reife der beiden jüngsten EU-Mitglieder Rumänien und Bulgarien oder um die der EU-Beitrittskandidaten vor allem in Südosteuropa, dann scheut die EU-Kommission nicht von offenen Worten zurück, wenn es um das Ausmaß von Korruption in diesen Ländern geht.
Geht es um die Sauberkeit der EU-Spitzenpolitiker, vor allem der EU-Kommissare, so hat sich die Kommission in Kooperation mit dem Europäischen Parlament 2011 ein strenges Regelwerk verordnet: Auf 16 Seiten ist der Verhaltenskodex für die EU-Kommissare definiert (siehe Link unten) .
Geregelt sind darin externe Tätigkeiten während oder nach Beendigung der Amtszeit als EU-Kommissar, ihre finanzielle Interessen und Vermögenswerte, aber auch Fragen wie die Abrechnung von Dienstreisen, die Annahme von Geschenken, Gastfreundschaft, Orden und Ehrenzeichen.
Ausgerechnet über diesen Verhaltenskodex ist nun der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz John Dalli, ein altgedienter Politiker Maltas, gestolpert. Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF hat gegen ihn Ermittlungen in Zusammenhang mit der Beschwerde des Tabakproduzenten Swedish Match eingeleitet. Demnach soll sich ein Unternehmer auf Malta angeboten haben, seine Kontakte zu Dalli gegen Geld zu nutzen, um über den EU-Kommissar einen Gesetzentwurf auf EU-Ebene zu Tabakprodukten für den Stockholmer Konzern günstig zu beeinflussen. Dabei ging es um ein Exportverbot des Kautabaks Snus (Snüs).
EU-Tabakgesetz
Laut Abschlussbericht von OLAF, der der EU-Kommission vorgelegt wurde, habe sich der maltesische Unternehmer an Swedish Match gewandt und "Gebrauch von seinen Kontakten zu Dalli gemacht". Dafür habe er "eine riesige Summe" verlangt.
OLAF-Generaldirektor Giovanni Kessler dazu: "Er (Dalli) wusste das und er tat nichts, um dies zu stoppen, zu blockieren oder zu verhindern." Als Gesundheits- und Verbraucherschutz-Kommissar war Dalli in der EU-Kommission zuständig. Laut OLAF-Ermittlungen floss kein Geld von Swedish Match an den Unternehmer.
Dalli selbst weist die Vorwürfe zurück. Er sei völlig unschuldig. Sein Rücktritt sei "ein großer Sieg der Tabaklobby". Er sei aber von seinem EU-Amt zurückgetreten, um seinen Ruf und den Ruf der EU-Kommission zu verteidigen. Kommissionspräsident José Manuel Barroso nahm den Rücktritt umgehend an.
Dabei hatte Dalli bereits ein angenehmes Leben als Polit-Pensionär vor Augen: Das Mandat des 64-Jährigen als EU-Kommissar wäre 2014 regulär ausgelaufen.
Es ist nicht das erste Mal, dass der stets gut gelaunte und joviale konservative Politiker, Vater von zwei Töchtern, ein Politamt zurücklegen musste: 2004 trat er nach Korruptionsvorwürfen als Außenminister Maltas zurück, kehrte aber vier Jahren später als Sozialminister in Maltas Regierung zurück.
Weiterführende Links
-
Hauptartikel
-
Hintergrund
-
Hintergrund
Kommentare