Knackpunkt Minderheitenschutz

Knackpunkt Minderheitenschutz
Minderheitenschutz und Fragen der Entschädigung gelten in der EU als ein Gradmesser für die Beitrittsreife.

Die Reaktion der Europäischen Union ist unmissverständlich: Die Gefährdung des Rechtsstaats und der Unabhängigkeit der Justiz wie von der Regierung unter Viktor Orbán in Ungarn und der Regierung von Victor Ponta in Rumänien wird von den europäischen Partnern nicht akzeptiert. Ebenso wichtig ist die Festigung demokratischer Strukturen in den Ländern, die in die Union drängen. Trotz Krise ist die Erweiterung um die Länder Südosteuropas ein langfristiges Ziel der EU. Im Juli 2013 wird Kroatien 28. EU-Mitglied, die anderen Balkan-Staaten stehen vor der Tür.

Die Beitrittswerber stehen natürlich unter besonderer Beobachtung durch Brüssel: Ein Gradmesser für ihre B­eitrittsreife sind der Schutz der Minderheiten sowie die R­estitutionsgesetze, um E­ntschädigungsfragen für Vertriebene – vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Zeiten der kommunistischen Herrschaft – zu regeln. Im Interview mit dem KURIER zieht der Vorsitzende des Verbands der Volksdeutschen Landsmannschaften Österreichs (VLÖ), Rudolf Reimann, eine Zwischenbilanz der Minderheiten- und Restitutionsgesetzgebung.

Kroatien: "Kroatien hat ein vorbildliches Minderheitenschutz-Gesetz. Die Minderheiten in Kroatien, auch die verbliebene deutsche, werden finanziell unterstützt und kulturell gefördert. Das große Problem ist aber das Restitutionsgesetz", betont Reimann. Ein erstes Restitutionsgesetz hatte alle Auslandskroaten mit anderer Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. Ein bilaterales Abkommen zwischen Österreich und Kroatien wurde sogar paraphiert, liegt aber auf Eis.

Ein neues Entschädigungsgesetz, das kroatische Staatsbürger und Kroaten mit neuer Staatsbürgerschaft gleichstellt, ist nach der ersten Lesung im Sabor, Kroatiens Parlament, stecken geblieben. "Seither ist bis heute nichts geschehen", beklagt Reimann.

Dieses Gesetz würden die deutschen Vertriebenen-Vertreter als "angemessen" betrachten und es unterstützen.

Heftig kritisiert Reimann, dass Österreich Anfang Juli Kroatiens EU-Beitrittsvertrag ratifiziert habe, ohne als Vorbedingung darauf zu drängen, dass zuvor die Entschädigungsfrage gelöst wird. Reimann hofft aber, dass das Gesetz "in absehbarer Zeit" doch noch beschlossen wird: "Kroatien muss Rechtssicherheit schaffen, wenn dort größere Investitionen getätigt werden sollen."

Serbien: Belgrad unternimmt große Anstrengungen, um EU-beitrittsreif zu werden. "Serbien hat ein gutes Minderheiten-Gesetz. Es fördert seine Minderheiten, zum Teil sogar mit Selbstverwaltungen," erklärt Reimann: "Dieses Minderheiten-Gesetz kann man fast vorbildlich nennen."

Zudem habe die vorige serbische Regierung ein Entschädigungsgesetz geschaffen, das auch die Zustimmung der deutschen Minderheit findet. "Seit März können bereits Anträge auf Restitution gestellt werden, und es sind schon welche eingereicht worden." Da das Verfahren kompliziert sei, empfiehlt Reimann, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Knackpunkt Minderheitenschutz

Zur Entwicklung in den übrigen Ländern des ehemaligen Ostblocks und Ex-Jugoslawiens erklärt Rudolf Reimann: "Ungarn war sofort nach 1989 eines der ersten Länder in dieser Richtung. Dann folgte Rumänien, das ebenfalls restituieren will." Auch Slowenien habe ein Entschädigungsgesetz geschaffen: "Es gibt manche Probleme, aber im Wesentlichen funktioniert dort die Restitution." Das Problem in Slowenien sei ein anderes – nämlich die Anerkennung der verbliebenen deutschen Volksgruppe als autochthon, also als alteingesessene Minderheit.

Völliger Stillstand, was den Status der deutschen Minderheit und die Entschädigungsfrage betrifft, herrsche hingegen in Tschechien und der Slowakei: "Diese beiden Länder sind unrühmliche Ausnahmen innerhalb der EU. Dort tut sich überhaupt nichts." Die Blockade sei sogar "noch schlimmer geworden, als es vor deren EU-Beitritt war." Positiv sei nur, dass intellektuelle Kreise – tschechische und slowakische Literaten und Historiker – aus eigenem Antrieb begonnen haben, die Problematik der Vertreibung 1945 aufzuarbeiten.

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