Kalter Krieg um alten Militärschrott

Kalter Krieg um alten Militärschrott
Minister Darabos will Privatsammlern ihren Waffenschrott abnehmen. Er selbst lässt aber Kanonen im Gelände stehen.

Verteidigungsminister Norbert Darabos möchte einem Mu­seumsbesitzer in Kärnten seine alten und zugeschweißten Kanonen wegnehmen. Seine Amtsjuristin lieferte dafür eine Begründung: Der dekorative Schrott sei noch immer Kriegsmaterial. Denn man könne Kriegsmaterial nicht zerstören, weil im Gesetz die dafür nötigen Bestimmungen fehlen.

Deko-Waffen

Das bedeutet: Sägt man den Lauf eines Maschinengewehres durch, hat man nachher nicht Schrott, sondern zwei Stück Kriegsmaterial. Das klingt seltsam. Außerdem würden dadurch auch Tausende Besitzer von Deko-Waffen kriminalisiert. Auch die früheren Wehrsprecher. Denn die bekamen als Abschiedsgeschenk jeweils eine demilitarisierte Maschinenpistole im Bilderrahmen geschenkt.

Mit einem neuen Gesetz will Darabos Klarheit schaffen. Demnach dürfen Besitzer ihre "tragbaren" Deko-Stücke behalten, für Großgeräte gilt aber weiter die "Unzerstörbarkeit". Damit gerät jetzt die ziemlich große Szene der Fahrzeugsammler in Bedrängnis. Ingo Wieser, früherer Amtssachverständiger des Ministeriums, erinnert sich, dass von 1991 bis 2002 sogar Jagdpanzer Kürassier für Privatverkäufe demilitarisiert wurden. Später kam noch ein ausgemusterter Draken dazu. Der steht jetzt im Kreisverkehr der Stadt Tulln – und gilt künftig wieder als Kriegsmaterial.

Sammler und Freaks sind frustriert und mokieren sich: Während der Minister Jagd auf ihre harmlosen Großspielzeuge mache, würde er selbst mit voll einsatzfähigem Kriegsmaterial höchst fahrlässig umgehen. Tatsächlich steht, wie ein KURIER-Lokalaugenschein ergab, im Freigelände vor der aufgelassenen Martinek­kaserne in Baden eine scheinbar herrenlose Feldkanone "Long Tom" mit dem Kaliber 15,5 Zentimeter. Bei dieser Kanone ist alles dran: Lauf, Verschluss, Lafette. Sie ist in Feuerstellung auf Wien gerichtet. Würde jemand das Ding laden, könnte er bei der Einsatzschussweite von 44 Kilometern problemlos die Wiener City erreichen.

Vom KURIER damit konfroniert, hieß es aus dem Ministerium: Man gehe davon aus, dass Rosteinwirkung eine Schussabgabe verhindern würde. Möglicherweise.

Bezüglich des Draken hieß es: Gemeinden seien vom Kriegsmaterialiengesetz ausgenommen. Demnach könnten die Tullner sogar einen feuerbereiten Panzer dazustellen. Wie künftig mit dem harmlosen "Kriegsmaterial" von Privaten umzugehen ist, konnte nicht wirklich beantwortet werden. In der Stellungnahme war lediglich von "Einzelbescheiden" die Rede, die es nach der geplanten Rechtslage aber gar nicht geben kann.

Am Mittwoch soll im Parlament abgestimmt werden.

Sammler: Heavy Metal in der Garage

Szene Deutschland Die Aktivisten sind Technik-Freaks, die auf die Feststellung Wert legen, dass sie unpolitisch seien. Ein Beispiel ist der Heidenauer Gerüstbauer Jörn Bindig. Er hat auf seinem 55 Hektar großen Firmenareal acht fahrbereite russische Panzer. Er veranstaltet Panzertreffen, verleiht seine Panzer an Filmfirmen und bietet private Panzerfahrkurse an.

Szene Österreich Die österreichische Panzerszene wirkt im Vergleich zur deutschen eher im Verborgenen. Es gibt aber einen bekannten Panzersammler im Marchfeld, der seine Fahrzeuge für Filmarbeiten und fallweise auch bei Kulturevents zur Verfügung stellt. Andere nehmen manchmal bei historischen Veranstaltungen des Bundesheeres im Heeresgeschichtlichen Museum oder in St.Pölten/Spratzern teil, weil das Bundesheer selbst nicht mehr über historische Fahrzeuge verfügt.

Bunkermuseum Im Kalten Krieg errichtete das Bundesheer ein verzweigtes Bunkersystem am Wurzenpass. Nach dessen Schließung kaufte im Jahr 2005 der letzte Miliz-Kommandant, Andreas Scherer, das 11.000 Quadratmeter große Areal, und richtete ein Museum ein. Die demilitarisierten Panzertürme und Kanonen lieferte damals das Bundesheer. Minister Darabos will Scherer diese Ausstellungsstücke wieder wegnehmen.

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