Juwelier-Überfälle: "Die Nester finden"

Juwelier-Überfälle: "Die Nester finden"
Hinter den Juwelierräubern steht eine Balkan-Mafia. Jetzt wird Österreichs Polizei in den Herkunftsländern aktiv.

Sechs Mitglieder der Juwelierräuber-Bande sitzen in Haft.

Die Überfälle werden aber weitergehen. Denn dahinter steht ein Verbrechersyndikat mit Hunderten oder vielleicht mehreren Tausend Mitgliedern. Dennoch ist General Franz Lang, Chef des Bundeskriminalamtes, optimistisch, die gesamte Organisation ausräuchern zu können.

Als sich Montag die per internationalem Haftbefehl gesuchten Serben Nikola B. und Mihajlo M. freiwillig beim Landeskriminalamt Wien stellten, war das für den Chefkriminalisten Lang erst das erste Ergebnis einer noch lange andauernden Operation. "Das ist wie bei einem Ameisenbefall im Haus. Es nützt nichts, einzelne Tiere einzufangen, man muss die Nester finden."

Arbeitsteilig

Juwelier-Überfälle: "Die Nester finden"

Die "Nester" der Pink Panther – wie die Juwelierräuber-Mafia im Szenejargon genannt wird, haben die Kriminalisten inzwischen in einigen Regionen Serbiens und Montenegros geortet. Dort haben sich lose agierende Verbrechergruppen auf ein arbeitsteiliges Vorgehen geeinigt. Rekrutierer beschaffen das Personal. Logistiker stellen Wohnungen und Fahrzeuge zur Verfügung. Aufklärer spähen die Opfer aus. Räuber-Trupps schlagen zu, und zwar weltweit: In ganz Europa, den USA und Japan. Und eine Verkaufsorganisation bringt die Waren auf den Markt. Es tauchen immer nur Einzelstücke auf. Eine leistungsfähige Buchhaltung sorgt schließlich dafür, dass die einzelnen Täter zu ihrem Anteil kommen.

Woher nimmt General Lang den Optimismus, dass er eines Tages das ganze Konglomerat sprengen kann? "Polizeikooperations-Konvention für Südosteuropa" (PCC) heißt für ihn die Lösung. Sie ermöglicht es österreichischen Polizisten, am gesamten Westbalkan so zu operieren, als ob sie zu Hause wären. Gemeinsam mit ihren serbischen, bosnischen oder albanischen Kollegen führen sie Observationen durch und hören Telefonate ab. Erkannte Täter werden von den nationalen Behörden verhaftet und abgeurteilt.

In jedem Land gibt es ein Koordinierungszentrum. In diesen Büros sitzen neben dem österreichischen Verbindungsbeamten ein national zuständiger Staatsanwalt, ein Polizist und ein Finanzpolizist. So kann ermittelt werden, als ob es keine Staatsgrenzen gäbe.

Multinationale Razzia

Damit stehen nun die österreichischen Polizisten quasi direkt vor dem Pink-Panther-Versteck, und bereiten weitere Zugriffe vor. So wie im Jahre 2010 in Mazedonien: Eine multinationale Polizeitruppe mit sechs österreichischen Polizisten, zwei Kollegen aus Frankfurt und 240 Beamten einer mazedonischen Sondereinheit stürmten zeitgleich 60 Häuser und nahm 49 Mitglieder einer Suchtgift-Bande fest.

Gespräch: "Ich fühle mich mittlerweile wie ein Freiwild serbischer Banden"

Juwelier-Überfälle: "Die Nester finden"

Vor zwei Tagen wurde der Juwelier Theuerer in Wien-Landstraße ausgeraubt – zum zweiten Mal in diesem Jahr. Der KURIER sprach mit dem jüngsten Opfer der Bande.

KURIER: Wie haben Sie den Überfall erlebt?
Karl Theuerer:
Meine ersten Worte waren: Na, ned scho wieder! Zwei Männer kamen ins Geschäft. Einer bedrohte uns mit einer Pistole, sprach kein Wort, deutete nur, dass wir uns auf den Boden legen sollen. In der Zwischenzeit blockierte der zweite Mann die Tür, schlug mit einer Axt die Glasvitrinen ein und räumte sie aus. Eine Angestellte flüchtete unbemerkt in die Küche. Sie hat versucht, die Polizei zu rufen. Doch dort war besetzt. Der Überfall dauerte ein bisschen länger als eine Minute vielleicht, dann waren die Männer schon wieder weg.

Wie hoch ist der Schaden?
Es wurden viele hochwertige Markenuhren gestohlen. Wir reden hier von einer Preisklasse bis zu 20.000 Euro pro Stück.

Wie geht es Ihnen heute nach dem Überfall?
Wissen sie, ich habe jedes Mal Angst wenn die Tür auf geht. Es ist der zweite Überfall in drei Monaten, ich fühle mich wie ein Freiwild serbischer Banden.

Wie sichern Sie ihr Geschäft in Zukunft ab?
Ich werde mir jetzt auch eine Sicherheitsschleuse einbauen lassen. Diese gibt mir ein bisschen das Gefühl von Sicherheit. Das Problem an der Sache ist nur, mein Geschäft liegt auf einer stark frequentierten Straße mit Tausenden Menschen am Tag. Dementsprechend viele Kunden gehen bei mir aus und ein. Durch die Schleuse verzögert sich das Geschäft. Da sind natürlich dann Umsatzeinbußen zu befürchten. Doch die Sicherheit geht natürlich vor. Denn für Juweliere ist Wien anscheinend nicht sicher genug.

Was sagen Sie zu den vermehrten Juwelierüberfällen in Wien?
Ich frage mich, warum das Innenministerium nichts dagegen unternimmt. Es heißt immer, die Kriminalität geht zurück und was ist mit den Juwelieren? Die müssen zuschauen, wie ihre Geschäfte ausgeraubt werden. Es gehört mehr kontrolliert. Es müssen Prämien auf die Täter ausgesetzt werden. Es muss etwas geschehen. Langsam fragt man sich: Habe ich als Juwelier noch eine Zukunft?

Interview: Viktoria Raz

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Hintergrund

Kommentare