Israel: Wehrpflicht auch für Orthodoxe

Israel: Wehrpflicht auch für Orthodoxe
In Israel gilt die Wehrpflicht ab sofort formell auch für orthodoxe Juden. Die Rabbiner sind weiter strikt dagegen.

Der Jubel über die Ausweitung der israelischen Wehrpflicht auch auf fromme Schriftgelehrte endete in der Nacht zum Mittwoch schnell: Ausgerechnet in Bney Brak, der wohl frömmsten Hochburg ultra-orthodoxer Juden, verteilten säkulare Aktivisten von der "Freier"-Bewegung in Bibelschulen Begrüßungssträuße mit imitierten Stellungsbefehlen. Die Studenten fühlten sich nicht begrüßt, sondern provoziert. Sie nutzten die Blumen als Schlagwaffen. Was die "Freier"-Reservisten zum geordneten Rückzug zwang.

60 Jahre nach Freistellung der Schriftgelehrten durch Staatsgründer Ben Gurion lief mit 1. August die vom Obersten Gericht gesetzte Frist für ein neues Einberufungsgesetz aus. Alle Versuche, eine gerechtere Verteilung der Wehrpflicht zu finden, sind gescheitert. Darüber zerbrach sogar die neue Regierungskoalition. Verteidigungsminister Ehud Barak erklärte: "Die Armee muss in 30 Tagen praktikable Vorschläge zur Einberufung bisher Freigestellter vorlegen."

Auf Neuhebräisch heißt das: Eine Verlängerung der Frist um einen Monat durch die Hintertüre. Trotzdem gilt die Wehrpflicht zumindest formell jetzt für alle – ohne Sonderregelungen für die Frömmsten der Frommen.

Kompromiss

Die genießen zurzeit 57.000 Schriftgelehrte unter 28 Jahren. Wer aber glaubt, dass die Reihen der Armee in dieser Größenordnung anwachsen werden, täuscht sich. Die Politiker suchen nach einem Kompromiss, mit dem auch Höchstrichter und Rabbiner zufrieden sind. Zwar wird ab jetzt jeder 17-Jährige den Ruf zur Tauglichkeitsprüfung erhalten. Bis zur Einberufung ist dann aber noch Zeit. Und Rat.

Denn auch jetzt gibt es schon Wege zur Ausweitung der Einberufung – wie etwa Katastrophenschutz oder Sanitätsdienste. Doch für die schärfsten Rabbiner unter den streng Frommen wäre auch das unannehmbar. Sie lehnen den Wehrdienst ab. Diese Scharfmacher sind laut, aber nicht tonangebend. Hinter den Kulissen willigen immer mehr Rabbiner in eine Öffnung nach außen ein. Seit 2007 sucht die Armee sogar gezielt nach Hochbegabten unter den Seminaristen. Damals wurden 40 Rekruten von den Luftstreitkräften eingezogen. Heute suchen auch der Geheimdienst und die legendäre Computereinheit 8200 nach Kandidaten.

Viele fanden ihren Weg in eine Offizierslaufbahn oder in einen Großkonzern. Über 1500 befinden sich heute schon so auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Die Zahl könnte durch die neue Entwicklung sprunghaft steigen – wenn Beispiele zeigen, dass Frömmigkeit und Moderne einander nicht ausschließen.

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