Integration: Kurz sieht sozialen Frieden in Gefahr

Integration: Kurz sieht sozialen Frieden in Gefahr
Der Staatssekretär wirft Ministerin Schmied vor, das Thema Integration nicht ernst zu nehmen. Diese bestreitet das.

Differenzen zwischen Koalitionspartnern sind nichts Außergewöhnliches; die gibt es ständig. Das, was zwischen SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied und ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz abläuft, ist ein Krieg der Worte.

Kurz warf Schmied am Dienstag via ORF-Radio vor, seine Initiativen in Sachen Integration zu blockieren. Diese war stinksauer. "Das ist schlechter Stil und der Versuch, sich zu inszenieren", sagte sie nach der Regierungssitzung dem KURIER. Kurz wollte die schlechte Betragensnote nicht hinnehmen; er schoss via KURIER zurück: "Ich bin mir nicht sicher, ob der Ministerin der Ernst der Lage bewusst ist. Die Entscheidung, ob in 30 Jahren noch sozialer Friede herrscht, fällt heute in den Schulen. Unser Schulsystem produziert eine verlorene Generation."

Probleme

Worum geht es? Kurz möchte Kinder, die nicht gut Deutsch sprechen, in Gruppen unterrichten, ehe sie regulär in die Volksschule gehen. Schmied spricht von Gettoklassen, die sie nicht wolle. Kurz: "Wenn sie das ablehnt, muss von ihr ein anderer Vorschlag kommen." Schließlich hätten 60 Prozent der Wiener Volksschüler Migrationshintergrund. Und von allen Volksschülern wiederum hätten 60 Prozent große Probleme mit der deutschen Sprache. Schmied verweist darauf, dass erst kürzlich die Sprachförderkurse für "außerordentliche Schüler" verlängert worden sind.

Zwist gibt es auch in Sachen "Integrationsbotschafter". Seit Oktober 2011 geht Kurz mit ihnen in Schulen. 130 teils prominente Menschen mit ausländischen Wurzeln – von Moderatorin Arabella Kiesbauer bis zur Balletttänzerin Karina Sarkissova – sollen zeigen, welche Chancen Migranten in Österreich haben. Mehr als 100 Schulen haben sie bereits besucht. Plötzlich sei das nicht mehr möglich gewesen, behauptet Kurz. Schmied bestreitet, das Projekt zu torpedieren. "Das ist die Entscheidung der Direktoren."

Dritter Streitpunkt ist das Gesetz über das Schuleschwänzen. Die Regierung hat zu Beginn des Sommers strengere Regeln paktiert. Den Gesetzesentwurf gebe es noch immer nicht, klagt Kurz. Schmieds Konter: Das Gesetz werde bis November fertig sein. Sie habe ihren Teil erledigt. Wirtschafts- und Innenministerium seien säumig, heißt es in ihrem Büro.

Die Parteikollegen der Kontrahenten hielten sich aus dem Konflikt heraus. Nur der Kanzler und sein Vize kamen nach der Regierungssitzung nicht umhin, sich zu äußern. "Ich stehe natürlich zu meiner Ministerin. Man soll viel Sprachförderung betreiben, aber in der Klasse und im Vorschuljahr", sagte Faymann. Spindelegger befand: "Für mich ist wichtig, dass etwas weitergeht."

Eine Hausaufgabe gaben sie Schmied und Kurz aber mit. Faymann: "Wir haben vereinbart, dass sie die offenen Punkte ausdiskutieren." Gelegenheit wäre am Sonntag. Schmied hat Kurz ins Volkstheater geladen – zu Peter Turrinis "Wie verdächtig ist der Mensch". Der Sukkus: Wie man eigene Schwächen durch Angriffe auf andere kaschiert. Kurz’ Replik: "Hier geht’s um eine verlorene Generation, das ist kein Theater."

Integration: Brennpunkt Schule

Volksschüler 60 % der Kinder mit Migrationshintergrund haben bei Schuleintritt "erhöhten Deutschförderbedarf". In Wien haben 60 % der Volksschüler ausländische Wurzeln. 25 % können nach der Volksschule nicht sinnerfassend lesen.

Jugendliche 8000 Schüler brechen jährlich die Schule ab – Migranten vier Mal so oft wie Kinder ohne Migrationshintergrund. 75.000 Jugendliche (16 bis 24 Jahre) haben keinen Job und keine abgeschlossene Ausbildung. Etwa die Hälfte davon sind Migranten.

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