Innocent: Hauben für den guten Zweck
Nackt" hätten die naturbelassenen Smoothies ursprünglich heißen sollen - "naked". Der Name war bereits vergeben. So wurde daraus "innocent" - "unschuldig".
Doch ab welcher Größe verliert ein Unternehmen seine Unschuld? - Darauf antwortet Richard Reed, einer der drei "innocent"-Gründer im KURIER-Interview. Die grüne Vorzeigefirma, 1999 gegründet, ist heute Europa-Marktführer im Bereich Obst- und Gemüse-Smoothies. Seit 2009 hält Coca-Cola 58 Prozent.
Das Motto der Gründer lautete: "Wir wollen die Welt ein Stück besser hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben." Soziale Verantwortung für Kunden, Mitarbeiter und Zulieferer gilt, ebenso wie ökologische Nachhaltigkeit, als unumstößliches Prinzip.
Eine der Aktionen, die das unterstreichen sollen, ist das jährliche "Große Stricken": Freiwillige stricken Mützen, die den innocent-Flaschen aufgesetzt werden. Pro Haube gehen 30 Cent an wohltätige Organisationen. Insgesamt wurden in Europa bereits 1,5 Millionen Mützchen gestrickt, in Österreich heuer 152.361. Deshalb ist Richard Reed diese Woche in Wien und übergibt der Caritas einen 45.708,30-Euro-Scheck.
KURIER: Können Sie stricken?
Richard Reed: Hahaha! Es ist mir peinlich, aber: Leider nein. Meine Mutter springt ein, sie hat schon hunderte Mützchen für uns gestrickt.
Neben dem "Großen Stricken" gibt es weitere Sozialprojekte bei innocent ...
Ja, 10 Prozent unseres Gewinns fließen in Charity-Aktivitäten. Würde jedes Unternehmen 10 Prozent für soziale Zwecke aufwenden, hätten wir eine Art aufgeklärten, besseren Kapitalismus.
Klingt wie ein frommer Wunsch. Wie lange verträgt sich der Anspruch, verantwortungsvoll zu agieren, mit den Gesetzen des freien Markts?
Für immer. Denn Kaufkraft kann Berge versetzen. Und wer schlüssig kommuniziert, dass er anständig ist, wird seine Kunden haben. Wirtschaft ist der stärkste Dynamo, und Geld ist wie elektrischer Strom - weder gut, noch schlecht. Es kommt darauf an, was man daraus macht. Bei einem Tabakkonzern etwa wird netto nie was Positives für die Gesellschaft rauskommen, weil sein Produkt Menschen umbringt.
Sie achten auf die Abbaubarkeit Ihrer Verpackungen, auf die Arbeitsbedingungen Ihrer Bananenpflücker und vieles mehr. Dennoch haben Sie seit 2009 Coca-Cola als Investor im Boot...
Mit dem Ergebnis, dass wir noch mehr von dem machen können, was wir für gut halten. Coca-Cola hat kein Mitspracherecht erworben, alle Entscheidungen werden weiter von uns getroffen. Einziger Unterschied: Wir berichten alle drei Monate zwei Stunden lang unseren Partnern - acht Stunden im Jahr.
Braucht ein Global Player wie Coca-Cola einen der "Guten" als Feigenblatt?
Coca-Cola will in jedem Getränkebereich möglichst stark vertreten sein, und wir sind das erfolgreichste Unternehmen bei Smoothies. Es gab 18 Interessenten, die bei uns einsteigen wollten. Die von Coca-Cola waren die verlässlichsten und vor allem die Einzigen, die wollten, dass wir keinen Millimeter von unseren Prinzipien abrücken.
Es wurde auch als "Sündenfall" gewertet, als McDonald's in Großbritannien begann, innocent-Smoothies in Kindertüten anzubieten...
Das hat drei Mal mehr Aufregung verursacht als der Coca-Cola-Deal. Aber ich versteh's nicht: Wenn wir wollen, dass sich die Kinder gesünder ernähren, müssen wir doch das, was gesund ist, dorthin bringen, wo sie sind.
Schon als Schüler haben Sie entschieden, sich selbstständig zu machen. Wie kam das?
Bei einem Ferienjob in einer Tierfutterfabrik. Ich sollte runtergefallene Hundekekse einsammeln. Ein Job auf allen Vieren. Ich wollte ihn effizient machen und fragte, ob ich einen Besen ausborgen könne. Der Vorarbeiter sagte: "Du bist der Besen!" Da beschloss ich, auf meine eigenen Ideen zu setzen. In meiner ersten Firma beschäftigte ich einige Schulkollegen, wir verdienten viel Geld mit Rasenmähen. Später gründete ich mit zwei Freunden innocent.
Wie hat diese Freundschaft den Riesenerfolg überdauert?
Ich glaube, das hat drei Gründe: Wir waren schon lange vorher befreundet, wir haben ähnliche Werte, und wir ergänzen uns in unseren Fähigkeiten. Wir unternehmen gern Dinge abseits vom Geschäft. Vor kurzem waren wir in Nordengland campen.
Sie lieben Broccoli - im Ernst?
Ja. Im Vorjahr war in meinem Päckchen bei unserer Firmenweihnachtsfeier ein Riesen-Broccoli! Worauf könnten Sie eher verzichten: Obst oder Gemüse?
Auf Gemüse, nicht auf Obst.
Ehrlich? Ich würde Obst weglassen, ich könnte keinen Tag ohne Gemüse leben.
Innocent: Bilderbuchkarriere einer Marke
Unternehmen 1998 beschlossen drei befreundete Briten, die Cambridge-Absolventen Richard Reed, Adam Balon und Jon Wright, ein Unternehmen zu gründen, das die Welt besser und die Menschen gesünder machen sollte. Sie pressten Obst und Gemüse zu "Smoothies". Der Erfolg im Umfeld kam rasch. Also kauften sie Früchte für 500 Pfund, produzierten Smoothies und verkauften diese auf einem Londoner Jazz-Festival. Neben ihrem Stand platzierten sie zwei Mistkübel, auf einem stand "YES", auf dem anderen "NO", dazu ein Schild: "Sind Sie dafür, dass wir unsere fixen Jobs kündigen, um diese Smoothies zu produzieren?" Nach einem Tag war der "Yes"-Kübel voll. Heute ist Innocent Europa-Marktführer im Bereich Smoothies.
Gründer Richard Reed ist einer der drei Gründer von Innocent, bis heute zuständig für Marketing und Verkauf. Er setzte von Anfang an kaum auf klassische Werbung, sondern forcierte PR-Aktivitäten, die zum Firmenmotto passen, etwa die Förderung von Radwegen oder "Das große Stricken". Mitarbeiter werden, so Reed, weniger nach Kenntnissen, sondern nach ihren Werten, ihrer Natürlichkeit und ihrer sozialen Einstellung rekrutiert.
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