„Patient bei Kassenreform noch außen vor“
Die Reform des österreichischen Gesundheitssystems ist eine unendliche Geschichte, könnte man sagen.
Das neueste Kapitel haben die neun Gebietskrankenkassen am Karfreitag in Salzburg aufgeschlagen. Sie riefen dort mit allen Länder-Ärztekammern zum Widerstand gegen den Plan der Regierung, die neun Gebietskrankenkassen zu einer zusammenzulegen, auf.
„Verstümmelung“
„Das Gesundheitswesen in Österreich scheint in Gefahr zu sein, wenn das umgesetzt wird“, sagte etwa Andreas Huss, Obmann der Salzburger GKK. Er warnte vor einer „Verstümmelung der Selbstverwaltung“ einem „zentralen Versicherungs-Moloch“, der vor allem die Versorgung im ländlichen Raum bedrohe. „Der Lungau ist nicht Floridsdorf“, meinte er. Sein Vorarlberger Kollege Manfred Brunner befürchtete, dass bei einer Zusammenlegung mit einem „nach Gutsherrenart zugeteiltem Budget“ gearbeitet werden müsse.
Das ist eine Kritik, die bei Gesundheitsexperten eher auf taube Ohren stößt. Für Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer stellt sich nämlich angesichts der vagen Reformpläne – Details will die Regierung erst in einigen Monaten vorstellen – die Frage nach der Sinnhaftigkeit: Es bestehe die „Gefahr, dass für die Patienten nichts herauskomme“, sagt er zum KURIER; die Versicherten seien bis dato noch außen vor.
Problematisch ist für ihn damit weniger der Umstand, dass aus neun Kassen eine werden soll, sondern dass bei einer Fusion nicht „entlang der Patientenachse“, also nicht integriert gedacht werde. Was das heißt? In Österreich sind die Bereiche primäre und sekundäre Prävention, Akutversorgung bei niedergelassenen Ärzten und in Spitälern, Pflege und Palliativmedizin jeweils in anderer Hand; manches ist beim Bund, manches bei den Ländern, manches bei den Krankenkassen. Zusammenlegen will man aber offenbar nur innerhalb der verschiedenen Ebenen – also eben die neun Gebietskrankenkassen zu einer. Nötig wäre aber eine Integration über alle Ebenen hinweg, sagt Pichlbauer– dort entstünden die meisten Reibungsverluste.
„Patientenschädlich“
Woran man das merkt? „Mit dem jetzigen System produzieren wir Pflegefälle“, sagt der Experte. Österreich habe eine doppelt so hohe Pflegequote wie Deutschland – dort sind es, trotz restriktiverer Regelungen beim Pflegegeld, 2,6 Prozent; bei uns sind es 5,3. Der Grund dafür sei schlicht, dass „wir präventiv nicht wirksam sind“, so Pichlbauer; und das liege daran, dass die verschiedenen Ebenen nicht kooperierten. „Das ist patientenschädlich.“
Der Experte fürchtet darum eine „österreichische Lösung. Eine Reform bringt aber nur was, wenn alle Player besser abgestimmt sind“, sagt er. „Derzeit gibt es 14 Honorarkataloge mit unterschiedlichen Anreizen, wann ein Arzt was macht. Ich fürchte, am Ende gibt es nur eine zehnte Gebietskrankenkasse – und die neun Länderkassen machen weiter, was sie wollen.“
Evelyn Peternel,
Thomas Sendlhofer
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