„Ein gespaltener Mensch“

Kurt Krenn im Juli 1993
Viel Kritik, leise Würdigungen. Was von der Ära des Bischofs übrig bleibt.

Die eine Szene, schildert Hans Peter Hurka von der Reformbewegung „Wir sind Kirche“, steht symptomatisch für die Ära Krenn. 26. April 1987 vor dem Stephansdom: Polizisten hieven den soeben zum Bischof geweihten Kurt Krenn über Gläubige, die sich aus Protest auf den Boden gelegt hatten, hinweg. Hurka sagt: „Er ging auch in seiner Amtszeit über die Menschen hinweg.“

Kurt Krenn hat das Kirchenvolk bewegt und gespalten, sich mit Kritikern und Bischöfen angelegt. Streitbar, wortgewaltig, stockkonservativ. Der „Vertreter der Wahrheit Gottes“, der einst sagte, er würde erst seine Position ändern, wenn „Gott abdankt“, starb am Samstag. 13 Jahre lang, bis 2004, dauerte seine skandalträchtige Amtszeit als Diözesanbischof von St. Pölten.

Paul Zulehner schätzte den streitbaren Bischof. Nicht wegen seiner Inhalte, sondern seiner Rolle. „Ein Vogel“, sagt Zulehner, „fliegt besser mit zwei Flügeln als mit einem.“ Krenn zählte klar zum rechten Flügel. Er sei für die Dynamik im öffentlichen Diskurs wichtig gewesen, sagt Zulehner. In einer Fußballmannschaft sei Krenn der klassische Verteidiger, der seinem Team allerdings Eigentore am laufenden Band eingebrockt habe.

Der Widerstand gegen den Hardliner wuchs, als er sich für den unter Missbrauchsverdacht stehenden Ex-Erzbischof Hans Hermann Groër starkmachte. Die Vorwürfe wurden nie restlos aufgeklärt. Vor zehn Jahren stolperte er über „Bubendummheiten“, wie er die Affäre nannte: Es ging um Kinderpornos und Sex-Orgien in seinem Priesterseminar. Krenn flog aus dem Kader, verlor sein Amt.

Rückendeckung fehlt

Weder sein Nachfolger noch andere konservative Kleriker schafften es zurück ins Rampenlicht. Zulehner macht den „Machtwechsel“ im Vatikan dafür verantwortlich. „Dafür gibt es jetzt keine Rückendeckung mehr.“ Mit Papst Franziskus sei eine neue, liberalere Ära in Rom angebrochen.

Hans Peter Hurka von „Wir sind Kirche“ sieht das genauso. Für den liberalen Gläubigen war Krenn „ein Unglück für die Kirche. Er hat Positionen vertreten, die einem aufgeschlossenen Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts nicht zumutbar waren.“ Unvergessen bleibt für Hurka auch, wie radikal er mit seinen Kritikern umging. „Jeder, der nicht gedacht hat wie er, war nicht gläubig.“

Franz Schmatz, Professor an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Krems, war einer dieser Kritiker. Im März 1995 entzog ihm Krenn nach einem jahrelangen Konflikt die Lehrbefugnis. In einem Schreiben erklärte er am Sonntag: „Kurt Krenn war in meiner Wahrnehmung ein gespaltener Mensch. Der ,Mensch‘ (...) Krenn war ein durchaus herzlicher, zerbrechlicher, spielerischer, lebensgenießender und liebenswürdiger Mensch.“ Anders nahm er ihn in seinem Amt als Bischof wahr: Als solcher habe er gezeigt, wie ein „lebensbejahender Glaube“ zu einem „erstarrten, lebensfernen Glaubenssystem, ja zu einer Glaubensideologie wird“.

Kardinal Christoph Schönborn betont die „Geradlinigkeit“ des Altbischofs, dessen Wirken „zu manchen Kontroversen“ geführt habe. Er habe sich „nicht gescheut, die „kirchliche Lehre ... zu verteidigen.“ Landeshauptmann Erwin Pröll bezeichnete ihn als „streitbaren Mann der Kirche mit Handschlagqualität“. Der Verstorbene wird am 8. Februar in St. Pölten beigesetzt.

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