Die geheimen eMails der Spekulantin

Die geheimen eMails der Spekulantin
"Ich gebe mein Leben für den Landeshaushalt", so begründet Monika R., warum sie Dienstanweisungen missachtete.

Ich wurde mit Füßen getreten, meine Meinung zählt nicht, obwohl ich diese Aufgabe seit 2001 mit vollem Einsatz sehr erfolgreich für das Land gemacht habe“, schrieb die Salzburger Finanzmanagerin Monika R. Ende September 2012 an ihre Vorgesetzten – wenige Tage nachdem sie aus einem „Zwangs-urlaub“ an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt war. „Jeder unserer Geschäftspartner wird Dir bestätigen, dass ich wusste, was ich tat, und ich kenne die Sensibilität und Wirkungsweise des Finanz-Portfolios des Landes mit jeder Faser meines Körpers.“ Nachsatz: „Was bleibt, ist die Tatsache, dass ich mein Leben gebe für den Landeshaushalt. Das war immer so und wird immer so sein.“

Aus den Akten der Korruptionsstaatsanwaltschaft geht hervor, in welcher psychischen Verfassung Monika R. mit ihren Vorgesetzten haderte. Es gab seit Längerem Streit zwischen R. und dem Finanzbeirat des Landes, dem die externen Wertpapier-Experten Utz Greiner und Lauri Karp angehören. Im Juli eskalierte der Streit, R. wurde die Vollmacht des Landes entzogen.

Vorgaben kritisiert

Der Beirat hatte vorgegeben, auf riskante Spekulationsgeschäfte wie Range-Accrual-Swaps zu verzichten und die Finanzschulden des Landes verstärkt von variablen Zinsen auf Fixzinsen umzugewichten. Damit sollte die „Verwundbarkeit des Landes“ reduziert werden.

Monika R. dürfte die „Empfehlung“ des Beirats als „feindlichen Akt“ angesehen haben. Dass sie Anweisungen von Beratern erhielt, denen sie die praktische Fachkompetenz im Portfolio-Management absprach, schmerzte offenbar. So warf sie dem Finanzbeirat vor, „sich Einmischungen anzumaßen, die nicht seine Aufgaben sind“. Die Berater hätten „nur eines im Sinn, alle Finanz-Geschäfte des Landes zu schließen, weil sie diese gar nicht verstehen“.

Dienstanweisungen

„Ich habe mich immer – bis zum Mai 2012 – an alle Vorgaben und Anweisungen gehalten und habe ab diesem Zeitpunkt daraufhin gewiesen, dass diese Empfehlung des Beirats dem Land schadet. Auf meine Bedenken wurde nicht eingegangen“, rechtfertigte sich die Ex-Finanzmanagerin in ihrem Schriftverkehr, der dem KURIER vorliegt. „Mit Ausnahme der Nichteinhaltung von drei Dienstanweisungen seit Mai 2012 habe ich keine Verfehlungen begangen.“

Laut Aktenlage ordnete ihr Vorgesetzer Eduard Paulus aber am 15. Mai an, dass keine „Range Accrual Swaps“ mehr abgeschlossen werden dürfen. Diese bergen das Risiko, dass die Bank bei steigenden Zinsen im Ex-tremfall ihre Zahlungen einstellt – für die Restlaufzeit von bis zu 25 Jahren.

Das Verbot hatte einen Grund: Wenige Tag zuvor soll Monika R. eines dieser Geschäfte eigenmächtig verlängert haben. In dem Fall segnete Finanzbeirat Karp die Verlängerung aber „nachträglich“ ab. Laut Aktenlage soll die Finanzmanagerin am 10. Juli nochmals eines dieser Geschäfte abgeschlossen haben. Der Beirat gab daraufhin die Order, das Geschäft „wieder aufzulösen“. Was auch geschah. „Sie hat nach der Sitzung ohne unser Wissen versucht, per eMail die Auflösung des Geschäftes zu stornieren“, schrieb Paulus an seinen Chef Brenner. „Es ist richtig, dass ich am 17. Juli die im Finanzbeirat besprochene Auflösung eines Geschäftes wieder rückgängig gemacht habe“, bestätigt Monika R. . „Ich habe in der Sitzung des Finanzbeirats darauf hingewiesen, dass ich diese Entscheidung nicht akzeptiere.“ Das Finanzgeschäft hätte laut R. Zinsvorteile gebracht.

In Salzburg soll eine Referatsleiterin der Landes-Finanzabteilung 340 Millionen Euro Steuergeld verspekuliert haben. Die Aufklärung des Falles dürfte Wochen bis Monate dauern. Die Wurzeln für den Finanzskandal liegen lange zurück.

28. Februar 2000: Die damals 28-jährige Hauptverdächtige im Salzburger Finanzskandal, Monika R., wird Leiterin des Budgetreferats der Finanzabteilung des Landes Salzburg.

2001: Salzburg beschließt unter LHStv. Wolfgang Eisl (V) die Einführung des sogenannten Schuldenmanagements. Dabei werden Zinstauschverträge zur Reduktion der Zinslast vorgenommen. Das Modell entpuppt in der Folge als höchst lukrativ, seit 2002 dürften dem Land auf diesem Wege Einnahmen in der Höhe von über 150 Millionen Euro zugeflossen sein.

6. Februar 2003: Die Referatsleiterin R. erhält eine Vollmacht für eine Reihe risikoreicher Finanzgeschäfte. Ausdrücklich genannt werden Future-Optionsscheine, Finanzterminkontrakte, Devisenoptionsgeschäfte, Finanz-Swaps, Zinsbegrenzungsgeschäfte und "exotische Zinsderivate". Es gilt das 4-Augen-Prinzip. Verträge und Bestätigungen sind von jeweils zwei von drei Bevollmächtigen zu unterschreiben. Die Vollmacht wurde von Eisl unterzeichnet. Aus den risikoreichen Geschäften dürften vor allem in den Jahren 2006 und 2007 enorme Verluste entstanden sein.

4. Juni 2007: Der damalige Finanzreferent Othmar Raus (S) erlässt "Richtlinien für das Finanzmanagement“. So habe etwa eine monatliche Risiko- und Barwertberechnung des Portfolios durch eine externe und unabhängige Stelle zu erfolgen. Das "offizielle" Portfolio hat laut SPÖ dabei stets einen positiven Barwert gehabt.

13. Dezember 2007: David Brenner (S) übernimmt die Finanzagenden von seinem Vorgänger Othmar Raus. Im Jänner gibt er den Auftrag, die Risikolimits weiter zu reduzieren, am 13. März 2008 werden die Richtlinien vom Finanzbeirat – ein Gremium bestehend aus dem Leiter der Finanzabteilung Eduard Paulus und zwei externen Experten – weiter "verschärft". Offenbar darf der Verlust im schlimmsten Fall 90 Prozent des Barwerts nicht übersteigen. Zuvor waren es 100 Prozent.

Oktober 2008: Einem Bericht der "Salzburger Nachrichten" zufolge soll Paulus von einer der involvierten Banken erfahren haben, dass alleine bei diesem Institut ein Minus von über 30 Millionen Euro entstanden ist. Unklar ist, ob Brenner davon erfuhr. Sein Terminkalender in diesem Monat nennt keinen Bankentermin. Die Regionalbank forderte damals Garantien vom Land. Paulus habe abgelehnt, mit dem Hinweis darauf, dass die Politik ohnedies eingeweiht wäre. Eine andere Bank steigt ein.

Juli 2009: Der Rechnungshof kritisiert das Ausmaß der Derivatgeschäfte im Land: Salzburg habe diese mit zu hohem Volumen und zu hohem Risiko durchgeführt, ohne ausreichend über die Gesamtrisiken informiert gewesen zu sein. Allerdings stellt der Rechnungshof auch fest: Die Erträge aus den Derivatgeschäften haben den Landeshaushalt zwischen 2002 und 2007 um 65,04 Mio. Euro entlastet.

13. Juli 2012: Der Leiter der "roten" Finanzabteilung, der der ÖVP zugeordnete Eduard Paulus, informiert den Leiter der "schwarzen" Personalabteilung. Monika R. habe klar gegen Richtlinien und Dienstanweisungen gehandelt und das 4-Augen-Prinzip verletzt. Paulus fordert den Personalchef auf, die Frau „streng zu ermahnen und ihr für den Wiederholungsfall die Auflösung des Dienstverhältnisses anzudrohen“, die Personalabteilung kommt dem nach.

17. Juli 2012: Paulus informiert Brenner telefonisch über wiederholte Verstöße. Brenner erteilt eine schriftliche Weisung, der Mitarbeiterin mit sofortiger Wirkung die Vollmachten für alle Finanzgeschäfte zu entziehen, ihre Geschäfte zu prüfen, sämtliche Zugänge zum Landesnetz und dem Handelssystem zu sperren. Die Frau wird für mehrere Wochen beurlaubt

August/September 2012: Die Finanzabteilung berichtet laut SPÖ mehrfach, dass die angewiesenen Überprüfungen der Frau keine Auffälligkeiten gezeigt haben und das Portfolio "sauber" sein soll.

17. September 2012: Die Referatsleiterin kehrt aus dem Urlaub zurück

21. September 2012: Die Referatsleiterin beschwert sich in einem E-Mail bei der Landeshauptfrau, dass ihr alle persönlichen Rechte genommen werden und ihr der Zugang zu den Daten verweigert wird. Sie hängt dem Schreiben eine vorangegangene Korrespondenz mit Paulus an, der ihr vorwirft, in ihrem Urlaub Geschäfte gemacht zu haben und sich nicht an Anweisungen gehalten zu haben. In diesem Schreiben warnt R., dass vom Finanzbeirat getätigte Empfehlungen im Zinsbereich dem Land mehr als 130 Millionen Euro kosten werden.

27. September 2012: Es kommt zu einem persönlichen Treffen zwischen Landehauptfrau Gabi Burgstaller (S) und R. Die Frau spricht über ihre entzogene Vollmacht, eine Warnung über drohende Verluste gibt es nicht.

15. Oktober 2012: Ein Anfang Oktober eingestellter Mitarbeiter im Referat entdeckt, dass R. auch Geschäfte im Verborgenen macht, die gegen die Richtlinien des Finanzmanagements verstoßen und meldet das seinem Vorgesetzten. Offenbar existieren auch zusätzliche 253 Derivatgeschäfte, die der Portfolio-Rechenstelle der Deutschen Bank in Frankfurt nicht wie üblich gemeldet worden sind. Paulus informiert Brenner, der weist an, die Geschäfte aufzulösen, so dies ohne finanziellen Schaden möglich ist. Das soll auch passiert sein.

26. November 2012: Paulus und der neue Mitarbeiter informieren Brenner über den Verdacht, dass die Frau den Kauf von Wertpapieren auf Durchläuferkonten so verbucht haben könnte, dass die Sache nicht auffällt. Am Nachmittag wird R. mit dem Verdacht konfrontiert, um 17.00 Uhr kommt es zu einer Besprechung im Büro von Brenner. R. gibt vor allen Anwesenden an, dass sie in der beginnenden Finanzkrise 2006/2007 eine Schieflage der von ihr in den Vorjahren seit 2001 abgeschlossenen Derivate zur Kenntnis nehmen musste. Sie habe darüber nicht berichtet, um Kollegen und Vorgesetzte zu schonen. „Es sei ihr Ehrgeiz gewesen, diesen Verlust selbstständig aufzuholen“, heißt es in einem Aktenvermerk zur Sitzung. R. glaube, dass „aktuell nur mehr rund 340 Mio. Euro offen seien“, ein Betrag der „leicht verdient“ werden könne.

28. November 2012: Trotz ihrem mutmaßlichen Geständnis nimmt Monika R. an der Seite von Brenner noch bei Beratungen im Budgetausschuss im Land teil.

3. Dezember 2012: Landeshauptfrau Gabi Burgstaller wird über den Fall informiert

5. Dezember 2012: Brenner sagt, an diesem Tag über mutmaßliche Urkunden- und Unterschriftenfälschungen der Frau informiert worden zu sein.

6. Dezember 2012: Brenner informiert den Koalitionspartner ÖVP und die Öffentlichkeit und erstattet Strafanzeige. Im Raum stehen der Verdacht der Untreue, des Amtsmissbrauchs und der Urkundenfälschung. Die Frau soll "weisungswidrig spekulative Geschäfte getätigt“ und eigenen Angaben zufolge dem Land Salzburg extrem hohe Bewertungsverluste in einem inoffiziellen, ausschließlich von ihr selbst gemanagten Derivatportfolio zugefügt haben. R. habe „nach vorläufigem Wissenstand“ in sechs Fällen die Unterschrift des zweiten Bevollmächtigten elektronisch unter Dokumente gesetzt und voraussichtlich 19 Protokolle über Sitzungen des Finanzbeirates im Nachhinein verändert.

7. Dezember 2012: Die Anzeige einer anonymen "Salzburger Beamtenschaft – deren aufrechter Rest" geht bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien ein. Die Anzeige wurde bereits im November erstattet. Drei Tage später folgt die Anzeige des Landes.

10. Dezember 2012: Ermittler des BAK beginnen in Salzburg mit Vernehmungen und Sicherstellungen. In einer Regierungssitzung einigen sich SPÖ und ÖVP auf die weitere Vorgehensweise bei der Aufdeckung des Skandals. Am Abend kündigt die ÖVP einen Neuwahlantrag an. Die SPÖ lehnt Neuwahlen ab, die Grünen halten sie für notwendig. Die FPÖ, deren Stimmen für einen Neuwahlantrag notwendig sind, wollen erst in der ersten turnusmäßigen Landtagssitzung am 6. Februar zustimmen. Wahlen wären damit Anfang Mai möglich.

13. Dezember 2012: Die Aufarbeitung des Skandals beginnt. Bis zum 16. Jänner soll dem Finanzüberwachungsausschuss ein Bericht über den aktuellen Stand aller Kredite, Veranlagungen, Derivate und Wertpapiere vorgelegt werden.

14. Dezember 2012: LHStv. David Brenner gibt seinen Rücktritt bekannt. Er wird seine Funktionen in der außerordentlichen Landtagssitzung voraussichtlich am 23. Jänner niederlegen, wenn das Budgets für 2013 beschlossen werden soll.

Der Staat ist kräftig im Geldbörsel drin.“ So formulierte es Finanzministerin Maria Fekter im Oktober in einem KURIER-Interview. Um auch gleich Besserung zu geloben. Es werde eine Steuerreform geben, auch zur Entlastung der Familien. Jetzt, im neuen Jahr, einem Wahljahr, warten wir noch immer auf konkrete Vorschläge und einen Zeitpunkt für die Umsetzung des Versprechens.

Um es klar zu sagen: Die Steuerzahler haben ein Recht auf eine Reform. Denn durch die sogenannte „kalte Progression“ werden wir Jahr für Jahr höher besteuert. Für viele steigt das Gehalt ein bisschen, die Steuer aber deutlich, weil eine neue Stufe erreicht wird. Gegen die Bevorzugung von Familien kann auch niemand etwas haben. Kinder sind uns lieb und teuer.

Um die entscheidende Debatte hat sich die Regierung bisher gedrückt: Wer wird entlastet? Und wie wird das finanziert? Man könnte es sich leicht machen und ausrechnen, wie viele Millionen in Bund und Ländern zuletzt verspekuliert wurden. Das wäre schon eine nette Steuerreform. Aber dieses Geld ist weg, also was tun?

Zunächst kann man von der Regierung das erwarten,was auch private Unternehmen tun: Sparen. Da gibt es die vielen Vorschläge des Rechnungshofes, insbesondere für das Zusammenwirken von Bund und Ländern. Dann wäre es wohl gerecht, wenn Einkommen aus Kapital und Einkommen aus Arbeit ähnlich besteuert wären. Und schließlich werden wir um eine offene Debatte über die Besteuerung von Vermögen nicht herumkommen. Wenn sich dadurch wieder nur der Staat bereichert, ist das abzulehnen. Wenn aber endlich die Arbeit massiv entlastet würde, müsste auch die ÖVP darüber gesprächsbereit sein. Wie auch immer: Die Bürger passen auf ihr Geld besser auf als der Staat.

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