Zankapfel Justiz: Zadić wirft ÖVP Verzögerung und parteipolitisches Agieren vor

Alma Zadic
Die Motivation der ÖVP für Justizreformen sei geschwunden, seit klar ist, dass es um echte Unabhängigkeit geht, sagt die grüne Ministerin.

Ex-Kanzler Sebastian Kurz sagte unlängst im Rahmen einer Diskussion: "Die Justiz wird missbraucht, um Politik zu machen."

Diesen Ausschnitt stellt der ORF am Sonntag an den Beginn der Pressestunde mit Justizminister Alma Zadić.

Damit ist die Kampfarena mit der ÖVP, dem Steinernen Gast am Tisch, abgesteckt.

Die grüne Justizministerin weist die Kurz-Vorwürfe "aufs Schärfste" zurück. "Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, jedem Verdacht nachzugehen und zu ermitteln, wenn sich der Anfangsverdacht erhärtet. Dann wird entschieden, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Das ist der gesetzliche Auftrag in einem demokratischen Rechtsstaat." 

Zu den konkreten Verfahren gegen Kurz sagt sie nichts. Denn sie ist der Ansicht, dass Politik und Staatsanwaltschaft zu trennen sind. Daher will Zadić den Justizminister als Spitze der Weisungskette durch eine Generalstaatsanwaltschaft ersetzen. Sie hat ein Expertinnengremium eingesetzt, das einen Vorschlag dafür erarbeitet hat. Dieser Vorschlag ist nun Zadićs Verhandlungsbasis mit der ÖVP.

"Akzeptiere keine Scheinlösung"

Der Zadić-Vorschlag sieht einen Dreiersenat an der Spitze der Generalstaatsanwaltschaft vor. Die ÖVP will hingegen eine Einzelperson, was Zadić massiv ablehnt: "Scheinlösungen wird es mit mir nicht geben. Ein einziger mächtiger Generalstaatsanwalt ist eine Scheinlösung."

Der "absolute Knackpunkt" ist für Zadić die Dreiersenatslösung. "An der Spitze sollen sich mehrere Personen die Macht aufteilen, die Macht soll untereinander kontrolliert werden." Über die Einbindung des Parlaments in die Kontrolle sei sie "gesprächsbereit". 

Zur Wahrscheinlichkeit,  sich mit der ÖVP noch vor der Wahl auf diese Reform zu einigen, sagt Zadić: "Es entsteht bei mir der Eindruck, dass die Motivation der ÖVP zurückgegangen ist, als klar wurde, dass hier die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von der Politik sichergestellt werden soll." 

Ätzender Angriff auf ÖVP

Verknüpft mit der Einführung des Generalstaatsanwalts sind Änderungen bei den Beschuldigtenrechten, zum Beispiel höhere Entschädigungen bei Freisprüchen oder, wie es ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler fordert, ein Zitierverbot aus Strafakten.

Auch in diesem Punkt geht Zadić in den Gegenangriff.

"Die ÖVP entdeckt Beschuldigtenrechte dann, wenn Politiker aus ihren Reihen betroffen sind", ätzt die Grüne.

"Nicht Rechte herauspicken, wie es einem passt"

Viele der Chats, über deren Publikation sich die ÖVP so aufregt, seien gar nicht im Strafakt, denn diese Chats seien strafrechtlich nicht relevant. Sie seien eigens  für den parlamentarischen U-Ausschuss ausgewertet worden. "Der Vorsitzende des U-Ausschusses war von der ÖVP. Er hätte sicherstellen können, dass das nicht publik wird."

Zitierungen aus dem Strafakt zu verbieten, würde massiv Beschuldigtenrechte beschneiden. Beschuldigte und deren Anwälte hätten zur Verteidigung Akteneinsicht und dürften diese Aktenteile auch öffentlich verwenden. "Man kann sich Beschuldigtenrechte nicht herauspicken, wie es einem gerade passt", rügt Zadić die ÖVP.

"Nicht nur wegen ein paar Politikern wichtige Regel ändern"

Bei von der ÖVP verlangten Änderungen der Handybeschlagnahme sei aufzupassen, dass man nicht "nur wegen ein paar Politikern Regeln ändert, die in anderen Bereichen extrem wichtig sind". So sei die Handybeschlagnahme in Fällen von Gewalt gegen Frauen oder organisierter Kriminalität unerlässlich.

Eine bessere Entschädigung bei Freisprüchen schob Zadić in Richtung Finanzminister: Dieser, sprich die ÖVP, müsse "bereit sein, einen dreistelligen Millionenbetrag zu bezahlen, dann können wir den Kostenersatz ausweiten". 

Zadić sagt, sie habe der ÖVP schon letztes Jahr eine Reihe von Verhandlungsterminen angeboten, aber es seien keine zustande gekommen. "Es fehlt an der Motivation der ÖVP, ernsthafte Verhandlungen zu führen." Trotz all der Differenzen glaubt Zadić, dass die Regierung halten wird, und dass regulär in eineinhalb Jahren gewählt wird.

ÖVP-Konter: "Zadić hat kein Interesse an sinnvollen Reformen"

Die Gegenvorwürfe der ÖVP lassen nicht lange auf sich warten. "Ministerin Alma Zadić will vom Stillstand und den Fehlentwicklungen im Justizministerium ablenken. Ihr Auftritt in der ORF-Pressestunde hat deutlich gezeigt, dass sie wenig Interesse daran hat, sinnvolle Reformvorhaben voranzutreiben. Sollte sich das doch noch ändern, sind wir jederzeit verhandlungsbereit“, sagt ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. „Bis dato hat die Justizministerin weder konkrete Vorschläge zur Stärkung der Beschuldigtenrechte vorgelegt, noch die notwendigen Schritte unternommen, um einen Verfahrenskostenersatz bei Freisprüchen einzuführen.“

ÖVP beharrt auf Zitierverbot aus Strafakten

Stocker beharrt auf das Zitierverbot aus Strafakten. „Aus Sicht der Volkspartei bleibt klar: Die Stärkung der Beschuldigtenrechte inklusive Kostenersatz bei Freisprüchen muss vorangetrieben werden. In diesem Zusammenhang führt auch nichts an einem Zitierverbot aus Strafakten vorbei."

Zudem brauche es einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt, der der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Zadić betrachtet diesen ÖVP-Vorschlag als "Scheinlösung", für den sie nicht zu haben sei.

Kein Wunder, dass die Opposition die Regierung für dieses Schauspiel harsch kritisiert.

Neos: "Andauernder Stillstand"

„So offen wie Alma Zadić hat noch kein Regierungsmitglied zugegeben, dass diese Regierung nichts mehr arbeitet, sondern nur mehr blockiert, streitet und die Zeit bis zur nächsten Wahl absitzt“, sagt NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos. „Aus dem Märchen vom ,Besten aus beiden Welten' ist ein andauernder Stillstand geworden. Das kann sich Österreich nicht leisten.“

"Neuwahlen einziger Ausweg"

Es gehe ja nicht nur im Justizbereich nichts weiter, so Hoyos. „Und beide Regierungsparteien tragen die Schuld an diesem Stillstand. ÖVP und Grüne sind dringend aufgerufen, eine neue Ehrlichkeit an den Tag zu legen und zu sagen: ,Wir sind am Ende.“. Es gibt so viele Baustellen, so viel dringenden Reformbedarf, so viel zu tun. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen vom Klimawandel über unsere Sicherheit bis hin zur Teuerung und der Personalnot ist keine Zeit zu verlieren. Neuwahlen scheinen der einzige Ausweg. Immer mehr Menschen vermissen Lösungen und fragen sich: Worauf warten?“

Ähnlich die SPÖ.

SPÖ: "ÖVP will mit Zitierverbot Pressefreiheit einschränken"

Justizsprecherin Selma Yildirim meint, in der Regierung gewinne der Streit die Oberhand, notwendige Projekte wie eine unabhängige und weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft würden an der Blockade in der Regierung scheitern. „Die ÖVP-Regierungsmitglieder wollen ein Zitierverbot einführen und damit die Pressefreiheit im Land einschränken“, kritisiert Yildirim.

Auch bei der schon 2017 durch die Regierungsparteien versprochenen Unterhaltsgarantie für Kinder in Armut sei weit und breit keine Bewegung in Sicht: „Es gibt in Österreich eine viel zu hohe Anzahl an Kindern, die von Armut betroffen sind und die viel zu wenig Unterstützung vom Staat erhalten. Es kann nicht sein, dass sie die Leidtragenden von der gegenseitigen Blockadehaltung der Regierungsparteien sein müssen", so die SPÖ.

 

 

 

 

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