Wiener Grüne: Türkischer "Wolfsgruß ins Verbotsgesetz"

Der „Wolfsgruß“ ist auch bei Demonstrationen von Türken in Österreich zu sehen.
Immer mehr Politiker drängen auf eine härtere Gangart gegen türkische Nationalisten. Kurz, Hofer, Pröll und nun auch die Grünen.

Selten waren sich Politiker aller Couleur so einig: Angesichts der Sympathiebekundungen heimischer Türken für den nationalistischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan – illegale Demonstrationen samt Sachbeschädigung – könne nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Was tun? Gesetze verschärfen? Wenn ja, welche? Kein Fördergeld mehr für Erdoğan-Propaganda-Vereine?

Außenminister Sebastian Kurz fordert "Aktivisten", die "die Innenpolitik der Türkei nach Österreich tragen", auf, sich von hier zu verabschieden: "Wer sich in dieser engagieren will, dem steht es frei, unser Land zu verlassen." Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll formuliert gegenüber dem KURIER noch schärfer: "Wer sich hier nicht nach unseren Spielregeln verhält, hat in unserem Land nichts verloren."

Grün-Mandatar Peter Pilz plädiert für ein "Gegenseitigkeitsprinzip": "Die sollen in Österreich nur das dürfen, was wir auch in der Türkei dürfen."

Schärferer Kurs

Der blaue Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer drängt darauf, türkischen Migranten vorerst keine österreichische Staatsbürgerschaft mehr zu geben. Er vermutet illegale Doppelstaatsbürgerschaften; das fördere Parallelgesellschaften. Replik von Minister Kurz: Die Gesetzeslage sei dahingehend "ganz klar": "Wer die türkische Staatsbürgerschaft annimmt, verliert die österreichische."

Auch die Grünen wollen eine härtere Handhabe gegen Extremisten. Deren Wiener Landessprecher Joachim Kovacs regt im KURIER-Gespräch an, "den Wolfsgruß in das Verbotsgesetz aufzunehmen". Das ist das Erkennungszeichen der "Grauen Wölfe", einer rechtsextrem-nationalistischen türkischen Bewegung. Bei Aufmärschen in Österreich ist es immer wieder zu sehen.

Vermittlungsversuch

Kanzler Christian Kern versuchte sich gestern bei einem Gespräch mit Vertretern islamischer Gruppierungen als Vermittler. Das Ergebnis: Konsens, "gemeinsame Verantwortung für die Sicherheit im Land" zu tragen. Das müsse auch innerhalb der Communitys klargemacht werden – "mit dem notwendigen Nachdruck". Und: Dort, wo das Strafrecht überschritten werde, sei "scharf vorzugehen". Inakzeptabel ist für Kern, dass in sozialen Medien dazu aufgerufen werde, Erdogan-Gegner zu denunzieren.

Ex-Grünen-Bundesrat Efgani Dönmez vergleicht die Lage in der türkischen Community in Österreich mit einer "Handgranate, an dessen Stift jemand rüttelt". Die Politik müsse beschwichtigen, vereinen. Es gebe eine Polarisierung zwischen den vielen verschiedenen Vereinen: "Die einen haben alle Hände voll zu tun, ihre Mitglieder zu beruhigen, andere provozieren."

Der kurdische Lehrer und sein Freund, ein Informatiker, der erst vor zwei Wochen die Türkei "für immer" verlassen hat, haben auch in Wien Angst. "Erdogan hat keine Soldaten in Wien, aber sein Arm reicht überall hin", sagt Ahmet. "Seine Anhänger sind radikalisiert, ich traue ihnen und dem Geheimdienst alles zu." Ahmet, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung finden will, hat eine ständige Aufenthaltserlaubnis und arbeitet heute wie viele kurdische Familien in der gehobenen Gastronomie. Dass sich die Lage in nächster Zeit bessern könnte, glaubt er nicht.

Forscher in Angst

In Österreich nicht sicher fühlen sich auch türkische Staatsbürger, die an den Hochschulen tätig sind – laut Wissenschaftsministerium 81 an der Zahl. Erdogan hat angekündigt, jene, die sich auf Dienstaufenthalt im Ausland befinden, in die Heimat zurückzuholen. Wie viele tatsächlich betroffen sind, ist unklar. Die Universitätenkonferenz (uniko) reagiert bestürzt auf Erdogans "Säuberungsaktion". Uniko-Chef Oliver Vitouch: "Hier wird intellektuelle Kritik im Keim erstickt und strukturell verunmöglicht. Das ist inakzeptabel und von EU und UNO auf das Schärfste zu verurteilen."

Ednan Aslan, Professor für islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, kennt ein paar Betroffene. "Sie müssen jetzt einmal mit der Situation klarkommen." Aslan selbst ist kein türkischer Staatsbürger.

Wie ernst die Lage ist, weiß auch Soziologe Kenan Güngör. Aufrufe in den sozialen Medien, Erdogan-Gegner zu denunzieren, machen weiter die Runde. "Viele Kollegen haben Angst. Jeder, der auch nur etwas ansatzweise Kritisches über Erdogan oder die AKP postet, kann auf dem Radar auftauchen und auf einmal unter Terrorismusverdacht stehen. Da reicht es schon, wenn man Erdogan einen Diktator nennt." Er habe seine Türkei-Reise diese Woche jedenfalls abgesagt.

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