Wolfgang Mückstein: Der "Pionier", der’s richten soll
Er trug Jeans und Turnschuhe, dazu ein Sakko. „Ich stehe vor Ihnen, wie ich in die Ordination gegangen wäre“, sagte Wolfgang Mückstein.
Allein: Der Wiener Allgemeinmediziner wird seine Praxis in naher Zukunft überhaupt nicht betreten. Zumindest nicht zum Arbeiten. Denn der Vater von zwei schulpflichtigen Töchtern hat den Job gewechselt – er wird neuer Gesundheitsminister.
Primärversorgungspionier Mückstein wird Gesundheitsminister
Der 46-Jährige war bislang nur Politik-Insidern bekannt: Ende 2019 hatte er bei den Koalitionsgesprächen für die Grünen das Gesundheitskapitel verhandelt; andere kennen ihn, weil er sich zwölf Jahre lang in der Ärztekammer und als Sprecher der Grünen Ärzte umtat.
„Es musste schnell gehen. In so einer Krise kann man Personal-Fragen nicht lange laufen lassen“, sagt ein grüner Stratege – zumindest das ist Werner Kogler gelungen.
„Westentasche“
Nachdem sich der Vizekanzler am Dienstag coram publico bei seinem Freund Anschober für dessen Kraftanstrengung bedankt hatte, erklärte der Chef der Grünen, warum die Wahl auf Mückstein gefallen ist: „Er ist ein Mann der Praxis, er kennt das Gesundheitssystem wie seine Westentasche. Und er ist ein Teamplayer.“
Unbestritten ist, dass Mückstein eine Ahnung von moderner Ordinationsführung und patientennaher Medizin hat. Vor zehn Jahren gehörte er zu den Vätern einer neuen Ordinationsidee, des „Primärversorgungszentrums“. Der KURIER berichtete mehrfach über dieses Konzept, das Patienten mehr Behandlungsqualität und bessere Ordinationszeiten bietet.
Skeptisch gesehen wird demgegenüber intern, dass Mückstein nicht als „politisches Tier“ gilt und ihm landes- wie bundespolitische Erfahrung fehlt.
Da ist es nicht gerade hilfreich, dass das Gesundheitsministerium strukturell bis heute nicht vollends auf die Pandemie-Bekämpfung ausgerichtet ist. Und abgesehen von koalitionsinternen Kräftespielen muss ein Gesundheitsminister jedenfalls auf Augenhöhe mit den für Impfung und Spitäler zuständigen Landeshauptleuten agieren, die laufende Pandemie-Bekämpfung akkordieren, Mega-Projekte wie eine Pflegereform vorantreiben und, und, und.
Erster Ansprechpartner
„Der Wolfgang ist für die Wiener Grünen schon vorher eine der ersten Ansprechpersonen gewesen, wenn es um Fragen der Gesundheit geht“, sagt Neubaus Bezirksvorsteher Markus Reiter zum KURIER.
Für Reiter ist Mückstein ein „Pionier“ – in vielerlei Hinsicht. Als Chef des Neunerhauses hat Reiter vor gut 15 Jahren die medizinische Versorgung der Obdachlosen neu aufgestellt. Ein junger Arzt half ihm dabei, obwohl er anderswo – etwa als angestellter Spitalsarzt – deutlich mehr verdient hätte. Sein Name: Wolfgang Mückstein. „Der Wolfgang“, sagt Reiter, „sieht medizinisch immer auch die soziale Dimension. Und: Er brennt für die Sache.“
Eine, wenn nicht sogar die größte Herausforderung für den neuen Ressortchef, der erst am Montag offiziell angelobt werden soll, wird zweifelsohne die Sozialpolitik.
Nicht von ungefähr erwähnte Mückstein bei seinem ersten Auftritt all die Erfahrungen, die er in Sachen Covid in seiner Gruppenpraxis gemacht hat. „Ich habe in letzter Zeit viele Belastungsstörungen gesehen, Schlafstörungen bei kleinen Kindern, es gibt unglaubliche Kollateralschäden, die diese Krise verursacht hat.“
Grünen-intern heißt es, genau das sei ein Grund gewesen, warum man auf ihn setze: Er denke bei Gesundheitsthemen ganzheitlich.
Formal muss Mückstein noch im Erweiterten Bundesvorstand der Partei bestehen und gewählt werden; beim Bundeskongress im Juni wird seine Wahl dann von der Basis auch formal bestätigt.
Ob der begeisterte Sportler tatsächlich abschätzen kann, auf welche Herausforderung er sich eingelassen hat, das blieb bei seinem ersten Auftritt am Dienstag noch etwas offen. Er werde notfalls auch unpopuläre Maßnahmen treffen, sagte der angehende Minister.
Und wenige Augenblicke später schob er mit dem Blick auf Anschobers Schicksal und angesichts der aufgebauten Kameras nach: „Ich bekomme gerade eine Ahnung davon, welche Verantwortung ich übernommen habe.“
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