Massive Einbußen: ÖVP-Minister Hattmannsdorfer will Teilzeitkräfte vorwarnen

Mit 35,7 Stunden hat Österreich die EU-weit viertgeringste Wochenarbeitszeit. Der Hauptgrund: Die stark steigende Teilzeitquote, fast ein Drittel der Bevölkerung arbeitet mittlerweile Teilzeit. Zuletzt plädierte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) deshalb wiederholt dafür, Teilzeit weniger attraktiv zu gestalten. Aber wie genau?
Hattmannsdorfer hat auf KURIER-Anfrage nun einen ersten Vorschlag gemacht. „Österreich ist Europameister in der Reduktion von Arbeitszeit“, sagt der ÖVP-Minister. „Wenn wir diesen Trend nicht stoppen, zahlen wir alle drauf – mit steigenden Ausgaben, sinkender Leistungskraft und wachsendem Fachkräftemangel.“
Rechenbeispiel: Gravierende Auswirkung auf Pensionshöhe
In einem ersten Schritt will Hattmannsdorfer nun Aufklärungsarbeit leisten. „Was viele nicht bedenken, sind die persönlichen Folgen von Teilzeit für die Pension.“ Tatsächlich wirken sich kürzere Arbeitszeiten gravierend auf die spätere Pensionshöhe aus.
Das Ministerium legt ein Rechenbeispiel vor: Ein Arbeitnehmer bezieht ein Bruttojahreseinkommen von 49.000 Euro. Arbeitet er auf dieser Grundlage 20 Jahre 40 Wochenstunden und 20 Jahre nur 20 Stunden, was bedeutet das für seine Pensionsbezüge? In der vereinfachten Berechnung erhält er monatlich brutto rund 620 Euro weniger Pension, als wenn er 40 Jahre Vollzeit gearbeitet hätte. Bei einer Restlebensdauer von 20 Jahren wären das rund 173.600 Euro weniger an Pension.
Hattmannsdorfers „Wake-Up-Call“
Sind die Österreich darüber ausreichend informiert? Im Vorjahr haben immerhin 750.000 Personen auf ihr Pensionskonto zugegriffen. Hattmannsdorfer plädiert aber dafür, dass die Sozialversicherungsträger noch besser und vor allem aktiver informieren sollen.
Heißt: Wer über längeren Zeitraum seine Arbeitszeit deutlich reduziert, soll über die negativen Auswirkungen auf seine Pensionshöhe in Kenntnis gesetzt werden – zum Beispiel per eMail oder Brief. Der türkise Minister spricht von einem „Wake-Up-Call“. Ziel sei es, mehr Bewusstsein für die finanziellen Langzeitfolgen von Teilzeitarbeit zu schaffen – früh und transparent. Wie das technisch umgesetzt werden soll, ist dem Vernehmen nach noch offen. Hattmannsdorfer will Bewusstsein, aber auch Solidarität schaffen: „Wenn zu viele sich aus der vollen Erwerbsarbeit zurückziehen, gerät das Gleichgewicht ins Wanken.“
Es geht in dieser Debatte um Bewusstsein – und um Verantwortung. Einerseits für die eigene Zukunft, denn wer langfristig in Teilzeit arbeitet, riskiert spürbare Lücken in der Pension. Andererseits aber auch für die Gesellschaft: Unser Sozialstaat basiert auf Solidarität und Beteiligung.
ÖVP-Wirtschaftsminister
Freiwillige Teilzeit
Im Regierungsprogramm sind vor allem Maßnahmen vorgesehen, die Mehrarbeit belohnen sollen. Die ÖVP würde etwa gerne Überstunden steuerlich begünstigen. Das wäre ab 2027 unter Budgetvorbehalt geplant – kommt also nur, wenn Türkis-Rot-Pink eine Gegenfinanzierung aufstellt.
Hattmannsdorfers Ansagen richten sich übrigens explizit an Personen ohne Kinderbetreuungspflichten oder gesundheitliche Problem, wie er betont: „Für ,Lifestyle-Teilzeit’ fehlt mir jedoch jegliches Verständnis. Der wachsende Trend zur ,Lifestyle-Teilzeit’ schadet dem Standort.“
Frauen, bei ihnen ist die Teilzeitquote besonders hoch, geben die Kinderbetreuung als Hauptgrund für geringere Arbeitszeit an. Aber: Laut Umfragen arbeiten immer mehr Frauen und Männer auch freiwillig kürzer.
Marterbauer widerspricht
Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hält wenig der Debatte, wie er via Bluesky klarstellt. Die durchschnittliche Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten betrage 21 Wochenstunden, viele würden sich aber 30 Stunden wünschen, so Marterbauer. Die Arbeitgeber seien gefragt, gute Teilzeit anzubieten, „von der man auch leben kann“.
Voraussetzung für mehr Arbeitsstunden sei zudem eine gerechtere Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern, meint Marterbauer.
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