Kantige ÖVP-Sager zur Teilzeit: Wo bleiben die Taten?

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Die ÖVP will Teilzeitarbeit weniger attraktiv gestalten. Ihre politischen Handlungen widersprechen der Botschaft aber ziemlich deutlich.
Michael Hammerl

Michael Hammerl

Österreich ist eine Teilzeitrepublik, EU-weit wird nur in drei Staaten kürzer gearbeitet. Bei hohen Lohnkosten, sinkender Geburtenrate, massiv steigenden Pensionskosten und stagnierender Produktivität ist das ein besorgniserregender Trend. Die Krise der heimischen Wirtschaft ist eben auch hausgemacht, ein Resultat von Reformangst und Überförderung.

Zwei oberösterreichische ÖVP-Minister haben das Problem vergangene Woche medial benannt: Dem mit kantigen Sagern omnipräsenten Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer ist Teilzeit „zu attraktiv“. Und Integrationsministern Claudia Plakolm berichtet, dass Paare aus ihrem Freundeskreis lieber kürzer arbeiten, da sie ohnehin keinen Kredit für eigene vier Wände bekämen. 

So richtig das sein mag, Gegenfrage: Welche Anreize hat die ÖVP in den vergangenen Jahren gesetzt, um Teilzeit weniger attraktiv und Vollzeit attraktiv genug zu gestalten? Eben, keine.

Nicht umsonst musste Arbeitsminister Martin Kocher im Februar 2023 eine Entschuldigungspressekonferenz abhalten, nachdem er im KURIER-Interview folgenden Satz gewagt hatte: „Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen.“ 

Immerhin: Türkis-Rot-Pink setzt aufgrund des budgetären Drucks mehr Leistungsanreize als seine Vorgänger. Genannt seien die Teilabschaffung der Bildungskarenz oder des geringfügigen Zuverdienstes neben der Arbeitslosigkeit. Um Leistung zu belohnen, sollen eine Senkung der Lohnnebenkosten und steuerlich begünstigte Überstunden 2027 folgen.

Das Problem: Diese Maßnahmen stehen unter Budgetvorbehalt – derzeit fehlt also die Gegenfinanzierung. Dass sich die SPÖ hier von Einschnitten überzeugen lässt, die über das Kosmetische hinausgehen, darf bezweifelt werden. Erstens ist Finanzminister Markus Marterbauer als linker Ökonom eher ein Freund hoher Staatsquoten. Zweitens könnten diese Maßnahmen den Sparpfad gefährden, an dem sein Erfolg gemessen wird. 

Und übrigens würde auch das Grundproblem – der zu geringe Einkommensunterschied zwischen Voll- und Teilzeitarbeit – nicht gelöst. Wer 40 statt 20 Wochenstunden arbeitet, sollte auch annähernd das Doppelte verdienen. Dank Österreichs Steuersystem mit seinen sechs Tarifstufen sind es im Durchschnitt aber nur 70 Prozent.

Erübrigt sich diese Debatte in naher Zukunft vielleicht sogar? Künstliche Intelligenz, dafür muss man kein Nostradamus sein, wird vielen Branchen einen massiven Automatisierungsschub bescheren. Wie sich das auf Arbeitswelten und -zeiten auswirkt, ist aber noch offen und definitiv kein Argument gegen entschlossene Reformen. Eine Politik des Abwartens schadet dem Staat im Normalfall – nicht nur beim Thema Teilzeit.

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