Viel Teilzeit, frühe Pension: Arbeiten die Österreicher zu wenig?

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Österreichs Bevölkerung arbeitet im EU-Vergleich besonders kurz, gilt aber als überdurchschnittlich produktiv – noch.

Österreich steckt in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Nach zwei Jahren mit schrumpfender Wirtschaftsleistung, also Rezession, kündigt sich heuer zwar wieder zartes Wachstum an. Im EU-Vergleich hinkt Österreich aber gewaltig hinterher, verzeichnete im Vorjahr sogar die schlechteste Wirtschaftsentwicklung.

Dafür gibt es nicht den einen Grund. Europas Wirtschaft leidet insgesamt, Österreich kämpft dann noch mit Lohnstück- sowie Energiekosten, die im EU-Vergleich hoch sind. Auch das Vertrauen in die Politik scheint gering: Obwohl die Kaufkraft der Bevölkerung trotz Rekordinflation während der Krise erhalten bis gestärkt wurde, stagniert der Konsum.

Aber wie steht es um die Bereitschaft, (viel und intensiv) zu arbeiten? Laut Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) befindet sich die Republik im "Teilzeitmodus". Ist der österreichischen Bevölkerung die Work-Life-Balance mittlerweile zu wichtig, sind wir zu träge? Diese Debatten werden häufig ideologisch geführt. 

Was ein Blick auf die möglichen Problemzonen und dazugehörigen Daten zeigt:

Arbeitszeit

Dass Österreich eine sehr hohe Teilzeitquote hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Fast ein Drittel der Beschäftigten arbeitet mittlerweile Teilzeit, höher ist die Quote mit rund 44 Prozent nur in den Niederlanden. Die Quote ist in den vergangenen zehn Jahren in Österreich um etwa 30 Prozent gestiegen. Bei den Frauen liegt sie bei rund 50, bei Männern bei 12 Prozent der Erwerbstätigen.

Laut Eurostat liegt Österreich mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 35,7 Wochenstunden auf dem viertletzten Platz in der EU. Am kürzesten arbeiten mit 31,6 Wochenstunden die Niederländer, am längsten mit 41 Stunden die Griechen. 

Warum ist das so? Die meisten Umfragen zeigen folgendes Bild: Bei Frauen gelten Kinderbetreuungspflichten als Hauptgrund für Teilzeit. Dahinter folgt meist der ausdrückliche Wunsch nach Teilzeit als Grund. Eine Untersuchung der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung, Ende 2024, zeigt auch: Mehr kinderlose Frauen wünschen sich ausdrücklich keine Vollzeitstelle als Mütter. Bei den Männern ist der Anteil der Teilzeitkräfte ohne Kinder laut Statistik Austria mittlerweile sogar höher als jener der Väter.

Ebenso ein Faktor: Österreichs Steuersystem belohnt Teilzeitarbeit vergleichsweise. Wer seine Arbeitszeit um 100 Prozent, von 20 auf 40 Wochenstunden, erhöht, verdient laut Berechnungen des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria netto im Schnitt "nur" 68 Prozent mehr.

Erwerbsquote

So kritisch der Trend zur Teilzeit auch gesehen werden kann, ein bloßer Blick auf die Arbeitsstunden greift zu kurz. Ebenfalls aussagekräftig sind die Erwerbsquote und die Produktivität. Wie schneidet Österreich in diesen Bereichen ab? Aufgrund der Rezession ist die Arbeitslosigkeit in Österreich leicht gestiegen. Im Frühjahr gingen laut Eurostat 78,6 Prozent der 15- bis 64-jährigen Österreicher einer Erwerbstätigkeit nach. Ein Wert, der fernab des EU-Spitzenreiters (Niederlande mit 85,5 %) liegt, aber über dem EU-Durchschnitt (75,6 %). Die Griechen, die beispielsweise deutlich länger arbeiten, haben nur eine Erwerbsquote von 70,8 Prozent.

Produktivität

Die Arbeitsproduktivität beschreibt wiederum jenen Wert, den die Erwerbstätigen in ihrer Arbeitszeit erwirtschaften. Hier liegt Österreich im EU-Vergleich tatsächlich im Spitzenfeld – noch. Laut dem Produktivitätsrat steigt die Stundenproduktivität der Österreicher zwar noch. Mittlerweile aber nur mehr um 0,5 Prozent pro Jahr, während es vor 20 Jahren noch rund zwei Prozent waren.

Pensionsantrittsalter

Gehen wir zu früh in Pension? Das gesetzliche Pensionsantrittsalter liegt in Österreich derzeit bei Männern bei 65 Jahren. Jenes der Frauen steigt bis 2033 auf diesen Wert. Bei den Männern liegt Österreich damit laut OECD im EU-Durchschnitt, bei den Frauen (derzeit noch) gute drei Jahre darunter. Klar ist, dass die Zuschüsse ins Pensionssystem das Budget besonders stark belasten. Diese steigen von heuer rund 33 auf knapp 40 Milliarden Euro im Jahr 2030. Jeden dritten, eigenommenen Euro, wird der Staat dann für die Pensionen ausgeben.

Dieses Kostenproblem hat nicht nur Österreich. Die skandinavischen Staaten passen deshalb das Pensionsalter regelmäßig an die Lebenserwartung an, derzeit gelten 67 Jahre als Orientierungswert. In Dänemark soll das gesetzliche Pensionsalter 2040 sogar bei 70 Jahren liegen.

Die österreichische Regierung versucht vorerst das faktische Antrittsalter dem gesetzlichen anzugleichen. Männer gehen aktuell mit rund 62, Frauen mit 60 Jahren in Pension. Das Problem: Die Pensionskosten, das zeigen etwa Berechnungen des Neos Lab, reduziert man damit nur vorübergehend. Nicht grundlos hat die Regierung auf Wunsch der Neos einen "Nachhaltigkeitsmechanismus" beschlossen, der die nächste Regierung zur Anhebung des Pensionsalters nötigen könnte.

Was ebenso zutrifft: Ältere haben es am Arbeitsmarkt vergleichsweise schwer. Rund 100.000 oder ein Drittel der Arbeitslosen in Österreich sind über 50. Jede dritte Frau ist vor dem Pensionsantritt nicht erwerbstätig. Erhöht man lediglich das gesetzliche Antrittsalter, ohne längeres Arbeiten zu fördern, reduziert man zwar die Pensionskosten – gleichzeitig würde aber die Arbeitslosenzahl steigen.

Fehlzeiten

Vor der Pandemie verbrachten Österreichs Arbeitnehmer pro Jahr rund 13 Kalendertage im Krankenstand. Nach einem sprunghaften Anstieg während der Pandemie, lag der Wert lauft WIFO im Vorjahr bei rund 15 Tagen. Prinzipiell liegt Österreich damit im EU-Mittelfeld. Den Anstieg, dessen Gründe nicht restlos geklärt sind, erachten Ökonomen dennoch als problematisch. Den heimischen Betrieben entgingen wegen der Krankenstände im Vorjahr 5,8 Milliarden oder 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung.

In Österreich steigen vor allem Langzeitkrankenständen. Dabei handelt es sich um Arbeitsunfähigkeit von mehr als 43 Tagen. Deren Anteil an den Krankenstandstagen lag 2024 bei 39,2 Prozent – 1990 waren es noch 31,6 Prozent. Die häufigsten Grüne für Langzeitkrankenstände: Verletzungen, Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychische Störungen.

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