Registrierkassenpflicht: "Belegpflicht bis 20 Euro kippen"
Aufschrei und Argwohn waren groß, als 2016 die Registrierkassenpflicht in Österreich eingeführt wurde. Von "Bürokratiewahnsinn“ war die Rede, von "Zettelwirtschaft“ und „Schelling-Papers“ (in Anlehnung an den damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling).
Zur Erinnerung: Seit 2016 gilt die sogenannte „Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht für Bareinnahmen“. Betriebe sind verpflichtet, eine Registrierkasse zu verwenden, wenn ihre Jahresumsätze 15.000 Euro und ihre Barumsätze 7.500 Euro überschreiten. Seit 1. April 2017 müssen die Registrierkassen zudem einen Manipulationsschutz aufweisen. Fünf Jahre nach Einführung gehören Rechnungen über wenige Euro wie für Stanitzeleis und Co. zum Alltag.
Das soll sich ändern, geht es nach dem Generalsekretär des VP-Wirtschaftsbundes (WB) Kurt Egger. Angesichts des Europäischen-Aufbauplans und des von der Regierung ausgerufenen Comeback-Plans für Österreich, der Digitalisierung, Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften in den Mittelpunkt stellt, plädiert Egger dafür, die Belegpflicht einzuschränken.
"Rund die Hälfte aller Zahlungen in Österreich liegen unter 12,40 Euro. All diese Rechnungen entsprechen einem Papierverbrauch von 655 Kilometer – und das pro Tag“, sagt Egger im KURIER-Gespräch. „Das entspricht der Strecke Wien-Kärnten-Wien und schädigt die Umwelt, weil die Rechnungen zumeist auf Thermopapier gedruckt werden. Zudem brauchen viele Kunden den Beleg oft nicht. Wenn wir die Belegpflicht für Zahlungen bis 20 Euro kippen, dann sparen sich die Unternehmen unnötigen bürokratischen Aufwand und wir als Gesellschaft wertvolle Ressourcen allein aufgrund des Papiers.“
KURIER: Seit 1.1.2016 gilt in Österreich die Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht. Fünf Jahre später plädieren Sie nun für die Abschaffung der Belegerteilungspflicht, warum?
Kurt Egger: Rund die Hälfte aller Zahlungen in Österreich liegen unter 12, 40 Euro. Alle diese Rechnungen entsprechen einem Papierverbrauch von 655 Kilometer – und das pro Tag. Das entspricht der Strecke Wien-Kärnten-Wien und schädigt die Umwelt, weil die Rechnungen zumeist auf Thermopapier gedruckt werden und die Kunden diese oft nicht brauchen. Wenn wir die Belegpflicht für Zahlungen bis 20 Euro kippen, dann sparen sich die Unternehmen unnötigen bürokratischen Aufwand, wir als Gesellschaft wertvolle Ressourcen allein aufgrund des Papiers und wir schonen die Umwelt.
Manche wollen aber eine Rechnung – auch über kleine Beträge oder brauchen sie als Nachweis, weil sie in mehreren Geschäften hintereinander einkaufen …
Wer eine Rechnung will, der soll auch weiterhin eine in ausgedruckter Form bekommen. Wer keinen Papierbeleg braucht, der soll künftig darauf verzichten können ebenso wie der Dienstleister selbst. Uns schwebt eine technische Lösung in Form eines QR-Codes vor, der bei Bedarf am Display sichtbar ist. Dieser QR-Code dient dann natürlich auch der Finanzbehörde zur Kontrolle.
Apropos Finanz: Um die Finanz- und Wirtschaftsbildung der Österreicher ist es schlecht bestellt. Die Sparquote ist immens gestiegen und das, obwohl es de facto Negativzinsen am Sparbuch gibt. Kann ein eigenes Schulfach das Defizit Ihrer Meinung nach beheben?
Ein eigenes Schulfach halte ich nicht für den richtigen Weg, denn wir kennen die langwierigen Diskussionen rund um die Einführung des Schulfaches politische Bildung. Wirtschafts- und Finanzbildung sollte in allen Unterrichtsstufen und quer durch alle Fächer verankert werden. Junge Menschen können und sollten bereits den Umgang mit Geld und das Wissen über Wirtschafts- und Finanzzusammenhänge beim ersten Taschengeld erlernen. Mangelndes Wissen führt im schlimmsten Fall zu Verschuldung.
Wir haben es mit der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten zu tun. Opposition und Gewerkschaft sprechen sich angesichts der Rekordarbeitslosigkeit für eine Erhöhung der Nettoersatzrate von 55 Prozent auf 70 Prozent aus – Sie hingegen für ein degressives Arbeitslosengeld-Modell. Was sagen Sie Kritikern, die durch solche Modelle mehr und mehr Menschen armutsgefährdet sehen?
Wir haben es aktuell mit einer kuriosen Situation zu tun: Rund 430.000 Menschen haben derzeit keinen Job, geschätzt ebenso viele sind in Kurzarbeit. Dennoch suchen Unternehmer, wie ich durch zahlreiche Gespräche weiß, händeringend nach Mitarbeitern. Die Voraussetzung ist oftmals nur: „Ich will arbeiten und das für acht Stunden am Tag.“ Wir müssen darauf achten, dass sich Arbeit wieder lohnt. Dazu gehören ein paar Parameter wie Arbeitslosengeld, Zumutbarkeit und Zuverdienstmöglichkeiten.
Sie wollen also die Zumutbarkeit verschärfen?
Es geht darum, die Menschen wieder zu befähigen, sich selbst zu erhalten. Und zwar durch Arbeit. Derzeit müssen vermittelbare Jobs innerhalb von einer Stunde zum Wohnort erreichbar sein. Wir wollen diese maximale Wegzeit auf 1,5 Stunden ausdehnen, um Bewegung in den Arbeitsmarkt zu bringen und um für mehr Beschäftigung zu sorgen. Damit sich Arbeit wieder lohnt, sollte unserer Meinung nach auch die geringfügige Zuverdienstmöglichkeit von Arbeitslosen abgeschafft werden.
Was versprechen Sie sich davon?
Die Möglichkeit, zum Arbeitslosengeld maximal 475,86 Euro brutto pro Monat geringfügig dazu verdienen zu können, führt oftmals dazu, dass Menschen mehr verdienen als in Vollzeitbeschäftigung. Wir wollen aber möglichst viele Menschen wieder in Jobs bringen. Durch den Wegfall der Zuverdienstmöglichkeit werden angebotene Jobs wieder attraktiver werden.
Wie der KURIER berichtet hat, hat ein Arbeitgeber kein Recht zu erfragen, ob ein Arbeitnehmer eine Corona-Impfung hat oder nicht. Wird die Impfung à la longue dennoch zum Einstellungskriterium werden?
Das geht schon aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht. Ich darf als Arbeitsgeber auch nicht fragen, woran ein Mitarbeiter erkrankt ist, wenn er sich im Krankenstand befindet. Ich weiß als Arbeitgeber nur, dass er krank ist. Es gibt gute Argumente für die Impfung und diese müssen wir vorbringen. In gewissen Branchen wie in der Pflege wird die Impfung sicher ein Thema werden, weil es insbesondere um die Gesundheit anderer geht - wie das auch bei Ärzten der Fall ist.
Wer eine Rechnung will, der soll aber auch weiterhin eine in ausgedruckter Form bekommen, so Egger. „Wer keinen Papierbeleg braucht, der soll künftig darauf verzichten können ebenso wie der Dienstleister selbst.“ Dem WB-Generalsekretär schwebt „eine technische Lösung in Form eines QR-Codes vor, der bei Bedarf am Display sichtbar ist. Dieser QR-Code dient dann natürlich auch der Finanzbehörde zur Kontrolle.“
2020 gab es laut Finanzministerium (BMF) „coronabedingt praktisch keine Kontrollen der Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht“ . Die Belegpflicht gilt mittlerweile europaweit – in unterschiedlichen Ausformungen. Besonders strikt handhaben es die italienischen Behörden. Dort wird von der Polizei kontrolliert, ob ein Kunde seine Rechnung mitgenommen hat. Im Gegensatz zu Österreich drohen in Italien bei Verstößen sogar Strafen.
Erst letztes Jahr führte Deutschland – nach österreichischem Vorbild – die Bonpflicht ein. Während in Österreich die Umsätze dezentral gespeichert werden, muss in Deutschland jede Kassa bei dem eigens geschaffenen Amt registriert sein, so das BMF. In Ungarn wiederum ist jede Registrierkasse mit einer Box versehen und direkt mit dem Finanzamt verbunden.
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