"Wir müssen in Regierungsverantwortung"
Die Tirolerin Ingrid Felipe führt seit 19. Mai die Grünen von Innsbruck aus. Der Partei droht laut Umfragen bei den Nationalratswahlen, das Abrutschen in die Einstelligkeit. Als Ziel gibt Felipe trotzdem eine Koalitionsbeteiligung aus. Denn nur so könnten Rechtspopulisten in der Regierung verhindert werden. Einen echten Wahlkampfhit hat die 38-Jährige aber noch nicht auf Lager. Sie will mit grünen "Klassikern" und einem positiven Zukunftsbild punkten.
KURIER: Im Wahlkampf zeichnet sich ein Dreikampf Kern-Kurz-Strache ab. Haben Sie schon einen Plan, wie die Grünen da nicht untergehen wollen?
Ingrid Felipe:Allein die Entscheidung dafür, dass Ulrike Lunacek als Spitzenkandidatin, ich als Bundessprecherin und Albert Steinhauser als Klubobmann die Verantwortung gemeinsam tragen, ist eine Ansage im politischen Stil: Nämlich, dass wir gemeinsam und kooperativ agieren wollen, um die österreichische Politik neu zu gestalten.
Schön und gut. Nur deswegen werden jetzt aber nicht gleich ganz viele Wähler Hurra schreien. Wie sieht es mit den Inhalten aus?
Was die Grünen seit ihrer Gründung in ihrer DNA haben, ist heute genauso aktuell wie eh und je: Das sind die Klassiker Klimaschutz, Gerechtigkeit, sozialen Fragen, da ist natürlich die Gleichstellung von Mann und Frau immer noch ein Thema – nicht umsonst haben wir ja ein Frauenvolksbegehren – und internationale Gerechtigkeit und das gemeinsame Bewältigen globaler Fragen, wie etwa dem Klimawandel.
Müssen die Grünen froh sein, dass US-Präsident Trump mit seinem Ausstieg aus dem Klimavertrag das Thema wieder aufs Tapet gebracht hat?
Ich habe es interessant gefunden, dass dieses völlige Fehlverhalten des US-Präsidenten sehr viele quer über den Globus und verteilt über alle politischen Strömungen wieder wach gerüttelt hat. Nichtsdestotrotz ist es schrecklich, dass sich diese große Weltmacht hier aus einem hart verhandelten Übereinkommen verabschiedet hat. Und wenn ich etwa in meiner Zuständigkeit als Landesrätin Klimaschutzpolitik mache, dann geht es darum, für die Menschen in unserem Land Lebensqualität zu erhalten.
Sie fordern seit längerem die Abschaffung des Dieselprivilegs. Das dürfte den Grünen die Wähler nicht in Scharen zutreiben, glauben Sie nicht?
Ich würde das mit einer ökosozialen Steuerreform verbinden und nicht nur das Dieselprivileg, sondern auch die Vignette abschaffen. Denn ich finde eine Pauschalbesteuerung nicht besonders klug. Man kann das intelligenter steuern, etwa über eine modernisierte Pendlerpauschale, bei der sich jene etwas sparen, die effiziente Fahrzeuge fahren.
Ihre Partei appelliert sehr gerne an die Vernunft der Wähler. Müssen Sie nicht auch lernen, die Herzen anzusprechen, um zu punkten?
Um erfolgreich bei Wählern zu sein, braucht es eine Kombination. Leben in einer intakten Umwelt und einer solidarischen Gesellschaft ist ein zuversichtliches Zukunftsbild. Und ich glaube, das spricht Menschen an. Vor allem wenn ich dem mehr Abgrenzung, mehr Abschottung, mehr Neid gegenüberstelle. Und damit auch steigende soziale Unsicherheit. Diese Polarisierung macht ja unsere Welt nicht sicherer.
Lunacek und Sie haben den Alleingang bei der Schließung der Westbalkanroute kritisiert. Was hätten die Grünen 2016 konkret anders gemacht?
Ich kann sagen, was die Grünen dort gemacht haben, wo sie in Landesregierungen Ressortzuständigkeit haben. Sie haben versucht, Menschen menschenwürdig unterzubringen und sie gut erstzuversorgen. In diesen globalen Fragen gibt es oft keine einfachen Antworten, sondern es geht darum, dass man einen rechtsstaatlichen und menschenwürdigen Umgang findet.
Die grünen Umfragewerte sind schlecht. Was wäre ein Erfolg bei den Nationalratswahlen?
Ich traue mich nicht, Aussagen über Umfragen zu machen. Dazu hat es in den vergangenen Wochen zu viele Veränderungen in der österreichischen Innenpolitik gegeben. Erfolgreich sind die Grünen dann, wenn es uns gelingt Rechtspopulisten in der Bundesregierung – und ich meine nicht nur die FPÖ – zu verhindern. Dazu müssen wir in Regierungsverantwortung. Anders wird sich das nicht ausgehen. Der Erfolg hängt also nicht unbedingt von Prozenten oder Mandaten ab.
Aber eine grüne Regierungsbeteiligung ist doch ein sehr unrealistisches Szenario?
Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Und ich glaube, dass man sich Ziele hoch stecken darf.
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