Wechselbad: Die Blauen freuten sich zu früh

"Ich lasse mir das historische Ergebnis nicht schlecht reden", so Strache Sonntagabend.
Zuerst glaubte die FPÖ an ein blaues Wunder, dann kam trotz fünf Prozent Zugewinn die Ernüchterung.

Das hat sich in den vergangenen Jahren kaum mehr eine Partei getraut: Bereits zwei Stunden vor der ersten Hochrechnung gaben die ersten blauen Spitzenpolitiker schon Interviews zum historischen Ergebnis in Wien. "Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben. In der SPÖ wird es ein Umdenken gaben, unabhängig davon, ob die FPÖ Erster oder Zweiter wird", kommentierte Burgenlands blauer Landeshauptmann-Vize Johann Tschürtz das bevorstehende Ergebnis. "Es wird das Ende der Ausgrenzung sein", sagte Norbert Hofer, dritter Nationalratspräsident überglücklich.

Der Jubel im Wiener FPÖ-Klub bei der ersten Trendumfrage um 17 Uhr, die die Blauen bei 35 Prozent sah, kam dann aber doch etwas zu früh. Bei der Hochrechnung um 18 Uhr war dann Enttäuschung zu spüren. Denn bei den ersten Trends lagen die Blauen noch Kopf an Kopf mit der SPÖ, die erste Hochrechnung wies aber nur knapp 31 Prozent aus. Macht überraschende neun Prozent Unterschied zur SPÖ.

Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache verteidigte sein Wahlergebnis: "Ich lasse mir das historische Ergebnis nicht schlecht reden. Aber es stimmt, es ist ein respektabler Abstand."

Euphorie weg

Die Euphorie war in den Klubräumlichkeiten aber wie weggefegt. "Wieder wird es in Wien Rot-Grün geben. Das macht mich wahnsinnig", beschreibt ein FPÖ-Sympathisant das Wechselbad der Gefühle. Stadtrat David Lasar versuchte dem Ergebnis trotzdem Positives abzugewinnen. "Nach derzeitigem Stand haben wir 34 Mandate und werden somit den Vizebürgermeister stellen. Man kann nicht mehr an uns vorbeiregieren, weil es keine Zweidrittelmehrheit ohne uns mehr gibt. Wie haben nie gesagt, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben wird." Auch die neue blaue Lady Ursula Stenzel übte sich in Zweckoptimismus: "Enttäuscht kann die SPÖ und die ÖVP sein. Die FPÖ ist die neue bürgerliche Kraft in Wien."

Wechselbad: Die Blauen freuten sich zu früh
11.10.2015 Wien-Wahl , Stimmenabgabe FPOE-Bundesparteichef Heinz Christian Strache bei der Stimmenabgabe im Rahmen der Wien-Wahl Copyright Agentur DIENER / Alex Domanski
Rückblende: Von der hohen Wahlbeteiligung, die der SPÖ nütze aber nicht den Blauen, konnte sich FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache bereits am Nachmittag selbst überzeugen. Fast 30 Minuten stand Strache geduldig in der Warteschlange, bis er seine Stimme abgeben konnte. "Wollen Sie nicht die Schlange überholen?", bot ihm eine Wählerin an. Strache lehnte dankend ab. Er habe Zeit und warte selbstverständlich, wie jeder andere Wähler auch. Staatsmann Strache – dieses Image hielt er bis zur letzten Minute des Wahlkampfes durch.

Der Gang vor dem Wahllokal in einer Volksschule in Wien-Landstraße war zum Bersten voll. Auch Kamerateams von ARD, ZDF und Bayrischer Rundfunk wollten Interviews mit Strache. "Ich glaube, hoffe und vertraue, dass es heute ein historisches Ergebnis für die FPÖ geben wird" , gab sich Strache da noch total siegessicher. Dass der nächste Bürgermeister Heinz-Christian Strache heißen wird, glaubte er aber selbst da nicht mehr: "Das wäre ein blaues Wunder."

Kommentare