Analyse: Ein nachdenklicher Wahlsieger
Nach außen hin gelassen aber doch ungewohnt nachdenklich. So begann Bürgermeister Michael Häupl seinen Wahlsonntag. Es ist seine fünfte Wahl als Bürgermeister von Wien – doch so viel Handlungsbedarf wie nach diesem Sonntag hatte Häupl noch nie. Trotz eines Wahlsieges und eines Abstands von knapp neun Prozent zur FPÖ – in den Flächenbezirken droht die einstige Arbeiterpartei zur zweiten Kraft zu werden.
Bei Häupls Stimmabgabe war da noch wenig zu bemerken. Empfangen wurde er von Journalisten und Stammwählern. "Alles Gute", sagte ein alter Genosse und schüttelte Häupl heftig die Hand: "Das wird schon." Ein zweiter Stammwähler versicherte: "Viele aus dem Bekanntenkreis haben zu mir gesagt: ‚Heute komme ich und wähle den Häupl.‘"
Bobo statt Prolo
Der Bürgermeister wurde bereits am Morgen deutlich: "Mit Retro-Politik werden wir nicht mehr reüssieren". Das vorläufige Endergebnis am Abend sollte ihn bestätigen. Die SPÖ verlor fast fünf Prozentpunkte, ein Zehntel der Wähler.
Dass das Minus nicht höher ausfiel, dürfte auch am Duell mit Strache liegen. Denn nicht etwa in den Flächenbezirken konnte die SPÖ reüssieren – sondern bei den Wählern in den Innenstadtbezirken, die Strache verhindern wollten.
So kam die SPÖ etwa in den Bobobezirken Mariahilf, Neubau und Josefstadt auf Platz eins, umgekehrt verlor man mit Simmering und Floridsdorf gleich zwei Bezirke an die FPÖ. Zittern müssen die Genossen auch in Favoriten, Donaustadt und Liesing. "Genau dort, wo wir am meisten Geld hinstecken, verlieren wir an die Blauen", sagte ein roter Funktionär kopfschüttelnd. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts SORA gaben 51 Prozent der Gemeindebaubewohner an, unzufrieden mit der Stadtregierung zu sein.
"Ich werte dieses Wahlergebnis nicht als Auftrag, so weiterzumachen wie bisher", sagte Häupl im Interview direkt nach der ersten Hochrechnung. So manche Bezirksorganisation kann sich daher bei der großen Nachbesprechung am Montag einiges anhören. Vor allem im Grätzel habe man weit mehr politische Arbeit zu leisten als bisher, sagte Häupl.
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, in Floridsdorf auf Listenplatz eins, wollte den Verlust nicht an der Bezirksorganisation festmachen: "Die Situation ist überall gleich und nicht der Fehler einer einzigen Bezirksorganisation", sagte Ludwig. Veränderungen und die Modernisierung der Partei müssten "auf allen Ebenen" passieren.
Häupl war da bereits unterwegs ins Festzelt in die Löwelstraße. Dort wurde er trotz fünf Prozent Minus begrüßt wie ein Popstar. Denn die Genossen wissen, sie haben nur den einen, der ihnen eine Wahl gewinnen kann. Häupl warnte erneut: "Nicht alles ist toll. Ein Minus ist ein Minus. Heute haben wir Grund zu feiern, morgen müssen wir arbeiten." Etwa raus zu den Menschen zu gehen und ihnen die Ängste zu nehmen.
Häupl: "Heute ist es sich noch ausgegangen, das nächste Mal geht es sich vielleicht nicht mehr aus."
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