Wien hilft USA gegen Hassposter
"Kill them with kindness" – "bekämpfe sie mit Freundlichkeit", lautet die Antwort der Amerikaner auf Hasspostings. Im Falle der dunkelhäutigen Leichtathletin Gabby Douglas bei Olympia sah das so aus: Während sich die einen User in Postings verächtlich über die kräftige Statur der Spitzensportlerin äußerten, überschütteten sie andere demonstrativ mit Komplimenten.
Um derlei moralische Unterstützung kann jetzt jeder mit einer App namens "HeartMob" bitten: Wer beschimpft wird, meldet das, und die Online-Helferlein eilen herbei.
Die User sind darauf angewiesen, einander gegenseitig zu helfen, denn den US-Behörden sind angesichts des dort noch relativ neuen Phänomens die Hände gebunden. Einschreiten dürfen sie erst, wenn Leib und Leben bedroht werden. Mobbing und Hetze reichen nicht, dafür gibt es (noch) keine Gesetze.
Offenbar wollen sich die Amerikaner etwas von Österreich abschauen: Justizminister Wolfgang Brandstetter wurde am Freitag von der Privatuniversität Cornell – einer der renommiertesten Unis der Welt neben Harvard und Yale – als Gastredner eingeladen. Er urlaubt derzeit im Bundesstaat New York, um seine Tochter und sein Enkelkind zu besuchen, die dort auf einer Farm leben. Sein Schwiegersohn ist Absolvent der Cornell-Uni.
Aus Geschichte gelernt
In seinem Vortrag sagte er, dass Europa seit der Flüchtlingskrise immer stärker mit dem Phänomen "Hate Speech" konfrontiert sei. Er erklärte, was es mit dem österreichischen Verbotsgesetz auf sich habe – und wie das Strafgesetz im Hinblick auf Cybermobbing und Hetze in den vergangenen Jahren nachgeschärft worden ist.
Der Justizminister räumt ein, dass viele der Regelungen in Österreich wohl nicht mit dem ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung, der die Meinungsfreiheit besonders hochhält, vereinbar seien. "Wir sind aber überzeugt davon, dass wir gegen verbale Aggression, die zu körperlicher Aggression führen kann, rechtliche Mittel brauchen. Das haben wir schmerzhaft von der Geschichte gelernt, und es wird unsere Richtschnur für die Zukunft sein."
Brandstetter hebt auch die Rolle von Social-Media-Giganten wie Facebook hervor: "Sie müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein." Bei einem Gespräch mit der Facebook-Führungsriege in Washington habe er gefordert, dass hetzerische Inhalte schneller entfernt werden müssten. Er sei "optimistisch und hoffnungsvoll", dass gemeinsam eine Lösung gefunden werde.
Spielwiese für Trolle
Brandstetter bezog sich auch auf eine der jüngsten Ausgaben des TIME Magazine, das diesem Thema eine Titelstory gewidmet hat: "Warum wir das Internet an die Hasskultur verlieren". Das Internet sei von einem freien Informationsmedium zur Spielwiese für Trolle geworden, stellt der Autor fest. Es gebe immer mehr Menschen, die im Schutz ihrer Bildschirme andere beschimpfen, hetzen und bedrohen. Sie würden dadurch "Angst verbreiten, Aufmerksamkeit erregen und Institutionen niederbrechen" wollen – in Sozialen Medien könne man den Präsidenten genauso mobben wie den Nachbarn. Hinter den Trollen werden auch rechtsradikale Gruppen vermutet, deren Hauptziel es sei, Minderheiten zu schwächen und den so genannten angry white man zu stärken.
Amerikanische Jugendliche seien Hasspostings schon so "gewohnt", dass sie sich selbst zensieren würden. Heikle Themen würden aus Angst vor einem Shitstorm nicht mehr angesprochen. Das gehe so weit, dass sogar Journalistinnen ihre Twitter-Accounts löschen, weil Drohungen oft überhand nehmen würden.
Justizminister Brandstetter kann das übrigens nicht passieren, wie er den Studenten mitteilte: "Wenn Ihnen mein Vortrag nicht gefallen hat, sollten Sie wissen: Ich bin nicht auf Facebook oder Twitter. Also versuchen Sie gar nicht erst, meine Trolle zu werden."
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