Wie soll der Staat mit den Rekordeinnahmen umgehen?

Leonore Gewessler und Magnus Brunner
Während der Finanzminister Hilfsgelder reduzieren möchte, drängen die Grünen auf weitere Maßnahmen.

Die Steuereinnahmen sind auch heuer auf einem Rekordhoch. Hauptgrund: die Inflation. Vor allem die Einnahmen aus der Umsatzsteuer, die auf Waren und Dienstleistungen anfällt, steigen stark. Im ersten Quartal nahm der Staat 9,7 Milliarden Euro ein. Das ist ein Viertel mehr als im Vergleichszeitraum 2019, vor den Krisen.

Die Umsatzsteuer macht aktuell rund 40 Prozent der Steuereinnahmen aus. „Wenn die Produkte in den Geschäften teurer werden, macht sich das eins zu eins in der Umsatzsteuer bemerkbar“, sagt Marcell Göttert, Ökonom vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria.

Private Haushalte haben im Gegensatz zum Vorquartal laut Wifo inflationsbereinigt um 0,7 Prozent mehr für Konsum ausgegeben – trotz hoher Preise. „Die Leute konsumieren also mehr, auch wenn die Sachen entsprechend teurer werden“, sagt Göttert. Kann sich der Großteil der Bevölkerung die Teuerung also leisten, auch wegen der Hilfsgelder der Regierung? Eine Frage, die ÖVP und Grüne unterschiedlich beantworten.

  • Hilfsmaßnahmen

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will mehrere Hilfsmaßnahmen gegen die Teuerung, die Ende Juni auslaufen, wohl nicht mehr verlängern – etwa die erhöhte Pendlerpauschale oder die Senkung der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe. Die Grünen können sich laut KURIER-Informationen vorstellen, die Senkung der Elektrizitätsabgabe zu verlängern, damit mehr Betriebe ihre Produktion auf Strom umstellen.

  • Lebensmittel

Am Montag hält Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) einen Lebensmittelgipfel ab. Die Produktgruppe ist im Schnitt um 14,5 Prozent teurer geworden – was deutlich über der Inflationsrate liegt. Diese Preissteigerung sei „nicht nachvollziehbar“, heißt es aus dem Sozialministerium. Beim Gipfel gehe es aber nicht direkt um Markteingriffe wie eine Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel: „Unser Ziel ist es, zunächst die Möglichkeiten der Lebensmittelketten auszuloten, um einen Beitrag für Preissenkungen zu leisten.“ Wie auch Teile der ÖVP verteidigt Göttert hingegen das Preisniveau: „Letztlich gibt es immer noch genügend Leute, die bereit sind, diese Preise zu zahlen. Deshalb kann man durchaus argumentieren, dass die Preise noch gerechtfertigt sind.“

  • Pauschalfördermodell

Betriebe können einen Energiekostenzuschuss beantragen. Dieser hat aber eine Förderuntergrenze. Für kleine Unternehmen, die ihn nicht erhalten, haben die Grünen auf ein Pauschalfördermodell gedrängt. Das Wirtschaftsministerium feilt seit September an einer Richtlinie. Den letzten Vorschlag wiesen die Grünen empört zurück, weil Freiberufler nicht berücksichtigt wurden. Die Verhandlungen laufen.

  • Erbschaftssteuern

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) unterstrich kürzlich per Video, dass er für Erbschaftssteuern ist. Wohl wissend: Mit der ÖVP wird das nichts. Sie wehrte sich auch gegen eine indirekte Vermögensbesteuerung über die Grunderwerbssteuer.

Nicht alles steigt

Warum mahnt Brunner trotz Rekordeinnahmen überhaupt einen "nachhaltigen Budgetpfad" ein? Teil der Wahrheit: Steigende Zinsen belasten die Staatskasse auf der Ausgabenseite, und die Steuereinnahmen sprudeln nicht in allen Bereichen gleich stark.

Nach der Umsatzsteuer ist die zweitgrößte staatliche Einnahmequelle die Lohnsteuer. Sie steigt heuer langsamer als die Inflation, was an der Abschaffung der kalten Progression liegen dürfte. Bei der Einkommenssteuer sind die Einnahmen sogar de facto gegen Null gesunken, bei Körperschafts- und Kapitalertragsteuern haben sie leicht nachgelassen.

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