Wie Politiker via soziale Medien ihre Karrieren vernichten
Marcus Franz hat da so eine Theorie: Laut dem einstigen ÖVP-Abgeordneten ließ Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2015 nur deshalb so viele Flüchtlinge die deutsche Grenze passieren, weil sie selbst keine Kinder hat und dieses vermeintliche Manko nun politisch wettmachen müsse. Das sei der „tiefenpsychologische Hintergrund“ für ihre Politik, schrieb Franz einst.
Auf Twitter sorgte dieser Text vor knapp zwei Jahren – veröffentlicht über einen Online-Blog – für heftige Aufregung und letztlich zu Franz’ erzwungenem Austritt aus dem ÖVP-Klub. Franz diente noch als „wilder Mandatar“ und musste 2017 das Hohe Haus verlassen.
Kein halbes Jahr nach dem Fehltritt bezeichnete der Neos-Abgeordnete Christoph Vavrik in einem spätabendlichen Posting auf Facebook die Adoption durch Homo-Paare als „abartig“ und stellte sie auf eine Stufe mit der Sklaverei. Seine spätere Entschuldigung, er sei „mit Freunden in einem Lokal gesessen“ und habe „in der Eile die Botschaft verknappt“, bewahrte ihn nicht vor Konsequenzen: Die Pinken distanzierten sich von ihm und erklärten, dass Vavrik künftig nicht mehr antreten werde. Wenig später wechselte der Geschasste in den ÖVP-Klub.
Im Herbst 2015 wurde indes Susanne Winter aus dem FPÖ-Parlamentsklub geworfen, weil sie einen Facebook-Nutzer für dessen verschwörungstheoretische Äußerung über „zionistische Geld-Juden“, die für die Fluchtbewegung verantwortlich seien, online für dessen „mutige“ Aussagen feierte. Die Erklärung, das sei doch alles nicht so gemeint gewesen, nahm ihr die FPÖ nicht ab – die Abgeordnete musste gehen.
Dieses Schicksal teilt sie mit dem blauen Gesinnungsgenossen Werner Königshofer: Nach einem Facebook-Posting, in dem dem der Tiroler Nationalratsabgeordnete Asylwerber als „Kanaken“ und „Gesindel“ beschimpfte, musste Königshofer im Parlament das Feld räumen.
All diese Fälle zeigen: Der sexistische Tweet des ÖVP-Abgeordneten Efgani Dönmez ist kein Einzelfall. Fast alle Rausschmisse der vergangenen Jahre folgten skandalösen Postings von Politikern in Sozialen Netzwerken.
Im „echten Leben“ ausgetragene Flügelkämpfe, wie man es bei der Liste Pilz und der rausgeworfenen Martha Bißmann erlebt hatte, sind die Ausnahme. Mit anderen Worten: Unflätigkeiten auf Facebook und Twitter wurden längst zum häufigsten Rücktrittsgrund für Politiker.
Experte: Kein Korrektiv
Wie aber kam es zu diesem Trend? Politikberater Thomas Hofer sieht gleich mehrere Gründe, die Soziale Netzwerke für so viele Politiker zum Glatteis werden lassen: „Im Internet fällt man nur durch Originalität auf und muss Botschaften stark zuspitzen – an dieser Gratwanderung scheitern offenbar manche furios.“
Zudem, sagt der Experte, „unterschätzen selbst Politiker, welche Reichweite ein Posting haben kann“. Etliche säßen dem Irrtum auf, die Folgewirkung eines klassischen Interviews sei stets größer als die eines Postings. „Das stimmt aber nicht“, so Hofer.
Im Unterschied zu Ministern ist das Gros der Abgeordneten indes selbst Herr der eigenen Netz-Auftritte – und zwar via Smartphone zu jeder Tages- und Nachtzeit. US-Präsident Donald Trump, Gottseibeiuns der Twitter-Pöbeleien, macht täglich vor, wie man ohne jedwede Kontrolle selbst von der Toilette aus weltweite Unruhe stiften kann.
„Anders als bei Aussendungen oder Stellungnahmen kann spätnachts kein Stratege oder Pressesprecher kontrollieren, was Mandatare alles absondern.“ Es gebe also „keinerlei Korrektiv, kein Sicherheitsnetz“, erklärt der Politikberater. Da versagt selbst viel zitierte türkise „Message Control“.
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