Wie Politiker mit ihren Erkrankungen umgehen

Wie Politiker mit ihren Erkrankungen umgehen
Nach Stimm-OP geht Doskozil mit angeschlagener Stimme in den Landtagswahlkampf.

„Was ich nicht will, ist scheinheiliges Mitleid. Ich bin enttäuscht, wenn von politischen Mitbewerbern etwa vom Fragerecht nicht Gebrauch gemacht wird. Ich will behandelt werden, wie jeder andere.“ Das sagt Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am Donnerstag.

Heute Samstag schwört der Spitzenkandidat die SPÖ in Raiding auf die Landtagswahl am 26. Jänner ein. Erst am Donnerstag hatte Burgenlands Landeschef nach langer Absenz seine erste Rede gehalten, sich nicht nur zu Budget-Zahlen, sondern auch zu seiner Gesundheit erklärt. Grund: Zwei Stimmband-Operationen, der eine dritte wird folgen müssen. Seine Stimme verändert, leise. „Kein Krebs“, wie er betont. „Eine Herausforderung, in der Phase einer Wahlauseinandersetzung die Stimme zu erhalten“, wie er zugibt.

Wie Politiker mit ihren Erkrankungen umgehen

Erste Rede nach langer Absenz im burgenländischen Landtag

Anstrengende Wochen stehen bevor, zahllose Auftritte auf dem Programm. „Zu kommunizieren ist zentrale Aufgabe eines Politikers, vor allem im Wahlkampf“, sagt Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle. Gerne werde vom Zuhören gesprochen, doch die Bevölkerung erwarte sich Antworten, skizziert sie das Problem. „Paradox ist, dass seine Einschränkung von außen nicht erkennbar ist, ihn aber viel mehr eingrenzt als es etwa ein Rollstuhl würde.“

Doskozil habe recht, wenn er meint, seine Erkrankung hindere ihn nicht daran, Entscheidungen zu treffen. „Aber er kann sie nicht kommunizieren. Und mit vorgeschriebenen Statements ist es in einer Zeit der globalisierten Sofort-Berichterstattung nicht mehr getan. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ein Wahlkampf ohne Stimme bestritten werden kann oder danach eine politische Karriere funktioniert, falls er dauerhaft seine Stimme schonen muss.“

"Sofort-Berichterstattung"

Bis zu einem Jahr dauert die Ausheilung. Um bei Stimme zu bleiben, ist „das Zusammenspiel aus Atem- und Stimmkraft entscheidend“, sagt Sprechtrainerin Andrea Radakovits. Das lasse sich trainieren – auch mittels logopädischer Übungen. Solange aber seine „Stimme hörbar angeschlagen ist, wird sie Thema sein“, ist sich Heidi Glück, Politik-Beraterin und einst Sprecherin von Kanzler Wolfgang Schüssel, sicher.

Kampfgeist vs. Schwäche

„Ihm muss klar sein, dass die Menschen darüber reden werden. Die einen, weil sie ihm Kampfgeist attestieren, die anderen, weil sie bei ihm Schwäche konstatieren“, so Glück. Doskozil könne einen Teil seiner Botschaften via Social Media transportieren, Bilder auf Instagram sprechen lassen. „Das ersetzt nicht das wohl wichtigste Instrument eines Politikers: die Stimme.“ Letztlich müsse er mit seinem Team und Ärzten über das Maß an Auftritten entscheiden. Dass er die OP thematisiert, spreche für ihn, seine Professionalität und bringe Sympathiepunkte.

Stainer-Hämmerle erinnert an die Vergangenheit und Politiker, die ihre Leiden verschwiegen wie Bruno Kreisky (Kanzler litt an Bluthochdruck), Thomas Klestil (Präsident hatte Lungenembolie) und Alois Mock (Außenminister litt an Parkinson). „Spekulationen über die Leistungsfähigkeit verringern das Vertrauen.“

Das bekamen jüngst Angela Merkel und Jean-Claude Juncker zu spüren. Das Zittern der Kanzlerin geriet zum Politikum, stellte bei Gegnern wie Kommentatoren ihre Regierungsfähigkeit infrage. Das Schwanken des an Ischias leidenden EU-Kommissionspräsidenten sei Alkohol geschuldet, mutmaßten Kritiker. „Man kann nicht Trump in die Knie zwingen, wenn man betrunken ins Weiße Haus geht“, konterte Juncker zum Amtsabschied. Apropos USA: Der 32. US-Präsident konnte sein Handicap verheimlichen. Wer Franklin Roosevelts Rollstuhl fotografieren wollte, wurde – heute undenkbar – vom Secret Service daran gehindert.

Kommentare