Staatsmänner verschwiegen ihre Krankheiten oft, um an der Macht bleiben zu können. So offen wie Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser ging bisher kaum ein Politiker mit seiner Diagnose um.
Ich kann mich noch erinnern, wie Bruno Kreisky eine Fußverletzung hatte, doch mit den Medien vereinbart war, dass der Stock auf den er sich stützte, weder im Fernsehen noch auf Pressefotos gezeigt würde. Politiker müssen fit wirken – selbst wenn sie sich mit letzter Kraft ins Amt schleppen. Viele spielten der Bevölkerung vor, gesund zu sein. Kreisky ebenso wie Mock und Klestil, Kennedy wie Churchill. Kaum jemand stand so offen zu ihrer Krankheit wie jetzt Gesundheitsministerin Oberhauser.
Machterhalt
Die Heimlichtuerei verfolgte meist den Zweck, den Machterhalt abzusichern. Kreisky litt in seinen späten Jahren unter Bluthochdruck und war Dialysepatient. Seine Krankheiten blieben aber geheim, schließlich wollte er sich mit 72 Jahren noch einmal seinen Wählern stellen. Doch die Österreicher erkannten, dass der "Sonnenkönig" angeschlagen war und versagten ihm 1983 erstmals nach zwölf Jahren die absolute Mehrheit.
Auch Thomas Klestil blieb als Bundespräsident im Amt, nachdem er 1996 eine Lungenembolie hatte, von der er sich nie ganz erholte. Statt sich zu schonen, versuchte er seine Aufgaben voll auszufüllen, bis er zwei Herzinfarkte erlitt, an deren Folgen er – zwei Tage vor dem Ende seiner Amtszeit – am 6. Juli 2004 im Alter von 71 Jahren starb.
Drei seiner Vorgänger behielten ihre Gesundheitsprobleme für sich – und starben ebenfalls im Amt: Bundespräsident Theodor Körner erlitt 1956 einen Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Er lernte mit der linken Hand zu schreiben, um weiter tätig sein zu können. Kurz nach Körners Tod hatte auch Bundeskanzler Raab einen Schlaganfall, worauf die beiden wichtigsten Positionen im Staat monatelang vakant waren.
Schärf und Jonas
Auch die Bundespräsidenten Schärf und Jonas erkrankten im Amt: Adolf Schärf holte 1965 trotz einer schweren Verkühlung den Schah von Persien vom Flughafen ab. Als Folge der übergangenen Grippe trat eine Verschlimmerung seines Leberschadens auf, dem Schärf 74-jährig erlag.Dramatisch auch die letzten Monate von Franz Jonas, der die Bevölkerung über sein Krebsleiden nicht informieren wollte – eine Maßnahme, die in der heutigen Medienwelt undenkbar wäre. Sein Zustand verschlechterte sich dermaßen, dass Kanzler Kreisky zu seinen Mitarbeitern sagte, "dass eine Unterredung mit Jonas schwierig geworden ist, da sein Gedächtnis zeitweise aussetzt, aber plötzlich wieder da ist und er dann den Gesprächsfaden ganz woanders aufnimmt". Jonas starb am 24. April 1974 in seinem 75. Lebensjahr.
Politikerkrankheit
Bluthochdruck ist eine typische Politikerkrankheit, die durch Stress, psychische Anspannung und zu wenig Schlaf entsteht. Wie Kreisky litten auch Franz Josef Strauß, Churchill, Bismarck, Tito, Lenin, Stalin und Hitler daran. Im Spätstadium kann Bluthochdruck zu Arterienverkalkung führen, ein Zustand, der natürlich Einfluss auf die politische Arbeit hat. In einem Fall sogar auf den Verlauf der Weltgeschichte: US-Präsident Franklin D. Roosevelt litt unter starker Arterienverkalkung und saß überdies nach einer Kinderlähmung im Rollstuhl, als er im Februar 1945 nach Jalta reiste, um über die Aufteilung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg zu verhandeln. In Jalta wurde der Osten Europas der Sowjetunion zugesprochen, zumal Stalin die Ermüdungszustände und die immer wiederkehrende geistige Abwesenheit des amerikanischen Präsidenten beinhart ausnützte. Roosevelt starb nur wenige Wochen später.
Alkoholprobleme
Winston Churchill hatte zeitweise Alkoholprobleme, und seine ungesunde Lebensweise, die er mit "No sports" originell zu umschreiben versuchte, trug dazu bei, dass der britische Premier in seiner Amtszeit zwei Schlaganfälle erlitt, die vertuscht und erst nach seinem Tod bekannt wurden.
Kaum ein Politiker hatte ein so strahlendes Image wie John F. Kennedy. Dabei war gerade er ein schwerkranker Mann. Antikörper im Blut zerstörten die Nebennieren, was dazu führte, dass der US-Präsident an Depressionen, Schwindelanfällen, Übelkeit und Kreislaufstörungen litt. Körperlich behindert war er überdies infolge einer angeborenen Deformation der Wirbelsäule. "JFK" bewegte sich unter großen Schmerzen auf Krücken, die er meist nur dann ablegte, sobald Kameras in seiner Nähe waren.
Politische Attentate
Trotz Behinderungen als Folge politischer Attentate blieben der heutige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk im Amt. Bei AußenministerAlois Mockwar die Parkinsonkrankheit längst erkennbar, als er im März 1994 in BrüsselÖsterreichs EU-Beitrittsverhandlungen abschloss – dennoch blieb er noch ein Jahr Minister und vier weitere Jahre Abgeordneter. Das Leiden wurde von seiner Umgebung als "Überarbeitung" bezeichnet. Die Konsequenzen nach einer Lungenembolie zog hingegen Vizekanzler Josef Pröll, der 2011 von allen politischen Ämtern zurücktrat.
NationalratspräsidentinBarbara Prammerinformierte die Öffentlichkeit vor zwei Jahren über die Diagnose Krebs, ließ jedoch offen, dass die Bauchspeicheldrüse befallen war.
Nun ging Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser einen Schritt weiter und erklärte, dass sie an Unterleibskrebs erkrankt ist. Glücklicherweise sprechen die Ärzte von guten Heilungschancen.
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