Wie kriegt man vergossene Milch wieder in die Kanne?

Matthias Strolz
Die Neos sind für die ÖVP eine ernst zu nehmende Konkurrenz.

Wahlabend im ÖVP-Festzelt. Die Stimmung ist fröhlich, junge ÖVP-Mitarbeiter tanzen, andere reden über die Wahl, und wie es jetzt weitergehen soll. Dauerthema an diesem Abend im ÖVP-Festzelt: die Neos, die neue Partei, die auf Anhieb mit fünf Prozent die Einzugshürde ins Parlament übersprang.

Vier von zehn Neos-Wählern kommen, wie im übrigen der Parteichef selbst, von der ÖVP. Matthias Strolz ist ein Bauernbub aus einem tiefschwarzen Vorarlberger Dorf und war ÖVP-Mitarbeiter. Er arbeitete in den 1990er-Jahren als parlamentarischer Mitarbeiter für den damals einfachen Vorarlberger Abgeordneten Karlheinz Kopf. Heute sagt Kopf stolz: „Ich habe Strolz ausgebildet.“ Doch damals gab die ÖVP dem engagierten Nachwuchstalent keine Chance. Alt-ÖVP-Obmann Erhard Busek pilgerte zu drei seiner Nachfolger als ÖVP-Chef, um für Strolz zu werben: Man solle ihm doch wenigstens ein Nationalratsmandat geben.

Wie kriegt man vergossene Milch wieder in die Kanne?
Vergeblich.

Nun hat es Strolz aus eigener Kraft ins Parlament geschafft – und nimmt der ÖVP die Stimmen weg. Strolz spricht noch dazu gerade jenes Publikum an, das die ÖVP so gerne hätte, und um das sie sich seit Jahren vergeblich bemüht: dynamische, gebildete Städter.

Manche jüngere Funktionäre an diesem Abend im ÖVP-Zelt geben freimütig zu, dass auch sie die Neos gewählt hätten, wären sie nicht ÖVP-Angestellte. Andere ärgern sich über die ÖVP: Hätte die ÖVP Strolz eine Chance gegeben und nicht vertrieben, wäre er nicht zu ihrem Konkurrenten geworden. „Ohne die Neos hätten wir die SPÖ überholt und wären heute die Nummer 1“, glauben viele ÖVPler. Wahlforscher halten das für möglich.

Die Neos sind für die ÖVP eine ernst zu nehmende Konkurrenz. Sie könnten die neue Stadtpartei werden – sie haben in Innsbruck, Salzburg, Graz und Wien aus dem Stand mehr als sieben Prozent gewonnen.

Und das war wahrscheinlich erst der Anfang. 2014 wollen die überzeugten Pro-Europäer bei der EU-Wahl antreten, 2015 bei der Wiener Gemeinderatswahl – ein Schrecknis für die Wiener ÖVP. „Zu Recht“, sagt Busek. „Ich bin ja auf den Veranstaltungen der Neos, und da treffe ich lauter Leute von meinen früheren ,Pro Wien‘-Vereinen.“

Die ÖVP grübelt, wie sie auf die neue Konkurrenz reagieren soll. Eine Strategie lautet: einbinden und inhalieren. Irgendwie soll das Kunststück gelingen, die vergossene Milch wieder zurück in die Kanne zu bringen.

Die Vertreter dieser Denkschule wollen die Neos in die Bundesregierung aufnehmen. So könne man ihnen wenigstens den Oppositionsbonus wegnehmen. Diese Meinung vertritt etwa der Chef der Wiener ÖVP, Manfred Juraczka. Er hat dieses Ansinnen auch schon bei Erwin Pröll, einem strikten Gegner einer Dreier-Koalition, deponiert.

Der Chef der Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, denkt dem Vernehmen nach noch weiter: Man könnte mittelfristig ein CDU/CSU-Modell zwischen ÖVP und Neos anstreben.

Busek würde es für „gut finden“, die Neos in die Regierung zu nehmen. Er glaubt aber in Kenntnis von SPÖ und ÖVP nicht, dass „die das zusammenbringen“. Busek: „Wenn es um die Verteilung der Ministerposten geht, werden sie wieder alle selbst besetzen und keinen hergeben wollen.“

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