Wie Alexander Van der Bellen seine Zukunft sondiert

Alexander Van der Bellen steht auf einer Dachterrasse in Rom.
In Österreich, Deutschland und Italien stehen 2022 Präsidentenwahlen an. Wer von den dreien geht in die Verlängerung?

Es ist wieder Tuchfühlung angesagt. Nach der Pandemie-bedingten Pause geht Bundespräsident Alexander Van der Bellen dieser Tage wieder auf Besuchstour zu den Nachbarn – zu den bedeutenden Ländern Deutschland und Italien.

Offiziell geht es um die EU, um gemeinsame Außenpolitik, Klimaschutz und Tourismus. Inoffiziell sondiert der Bundespräsident freilich auch Delikateres: seine eigene Zukunft. In allen drei Ländern stehen kommendes Jahr Neuwahlen des Staatsoberhaupts an – in Deutschland und Italien in den Abgeordnetenkammern, in Österreich die Volkswahl. Wen von den Amtskollegen wird es weiterhin geben? Und wird Van der Bellen selbst noch einmal antreten?

Logo der Politik-Kolumne des Kurier mit dem Titel „Politik von Innen“.

Mit dem Italiener Sergio Mattarella, einem Linkskatholiken und studierten Juristen aus Palermo,  versteht sich Van der Bellen blendend. „Er ist ein gescheiter, lebenslustiger Gesprächspartner, es ist jedes Mal eine Freude, ihn zu treffen“, schwärmt Van der Bellen.

Italiens Präsident Mattarella und Österreichs Präsident Van der Bellen treffen sich in Rom.

Mit Sergio Matarella

„Zwischen den beiden besteht mehr als eine Arbeitsbeziehung, da ist Freundschaft spürbar“, beobachtete  EU-Ministerin Karoline Edtstadler, als sie den Bundespräsidenten nach Rom begleitete.  Doch Mattarella – er ist 79 und seit 2015 Staatspräsident – hat angekündigt, seine Amtszeit im Februar 2022 auslaufen zu lassen und für keine weitere Periode zur Verfügung zu stehen. Beim gemeinsamen Mittagessen im Quirinal versuchte Van der Bellen, Mattarella umzustimmen: „Ich habe versucht, es ihm schmackhaft zu machen, aber er ist da sehr bestimmt. Es wird einen neuen Präsidenten geben.“ 

Drei Frauen stehen auf dem Petersplatz im Vatikan.

Ministerinnen Edtstadler und Gewessler mit Doris Schmidauer

Dass Van der Bellen damit hadert, dass ihm ein geschätzter Gesprächspartner abhanden kommt, eröffnet einen Einblick ist die Gefühlslage des Staatsoberhaupts bezüglich seiner eigenen Pläne: Offenbar denkt er an eine Verlängerung seiner eigenen Amtszeit.  

Im Oktober 2022 wird die Bundespräsidentenwahl stattfinden, das hat VdB vergangene Woche in Berlin angekündigt. Die zweite Amtsperiode beginnt dann im Jänner 2023, zu diesem Zeitpunkt wird er ziemlich genau 79 Jahre alt sein. Sein Geburtsdatum Jänner 1944  ist derzeit aber auch schon alles, was eventuell gegen Van der Bellens Wiederkandidatur spräche.

Umwelt und Verkehr bestimmen Zeman-Besuch, und eine Abberufung

Politisch steht dem nichts im Weg. Van der Bellen hat sich in den Augen der Bevölkerung als Staatsoberhaupt etabliert, er führt alle Politiker-Rankings unangefochten. Und auch bei den politischen Lagern genießt er viel Unterstützung.

Ein Mann mit Brille hält ein Blatt Papier vor einem Hintergrund mit dem Schriftzug „Republik Österreich“.

Nationalratspräsident und U-Auschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka

So wird die ÖVP mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Gegenkandidaten zu ihm ins Rennen schicken. Einer der immer wieder genannten Kandidaten, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, hat dem Bundespräsidenten bereits mitgeteilt, dass er nicht gegen ihn antreten werde. Damit kann man Sobotkas Absage als zementiert ansehen. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer sprach sich überdies am vergangenen Sonntag in der Pressestunde für eine ÖVP-Unterstützung für Van der Bellen aus. 

Die SPÖ hatte Van der Bellen bereits im zweiten Wahlgang 2016 unterstützt. Nach KURIER-Informationen ist es fix, dass die SPÖ auch Van der Bellens Wiederkandidatur unterstützen wird. Pamela Rendi-Wagner versteht sich  blendend mit ihm, und der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig hat ebenfalls schon die Losung ausgegeben: kein Gegenkandidat zu Van der Bellen.
Und was wird mit Norbert Hofer und der FPÖ?

Sebastian Kurz unterhält sich mit einem Kollegen im Parlament.

Daraus wird wohl eher nichts. Der Grund ist laut FPÖ-Insidern eine einfache Kostenrechnung: Teures Geld in einen Wahlkampf zu investieren, den man sicher nicht gewinnen wird, muss eine Umwegrentabilität haben. Und die könnte lauten: eine neue Person bekannt zu machen, die man später im Nationalratswahlkampf oder vielleicht bei einer wichtigen Landtagswahl einsetzen könnte. Denn die Bühne ist ja keine schlechte: Ein Gegenkandidat würde auf Augenhöhe mit dem Bundespräsidenten in allen TV-Formaten auftreten und Wochen hindurch blaue Inhalte transportieren können.

Aber zuerst muss die FPÖ ihre Obmannkür hinter sich bringen, bevor sie sich solchen Überlegungen hingeben kann.
Von einer derart g’mahten Wiese kann Van der Bellens deutscher Amtskollege nur träumen. Frank-Walter Steinmeier steht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung – aber ob er auch gewollt ist, steht in den Sternen.  

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Frank-Walter Steinmeier stehen vor einem Gebäude.

Van der Bellen mit Frank-Walter Steinmeier

Der  Sozialdemokrat  wurde von den CDU-SPD-Regierungsfraktionen in der Bundesversammlung zum Staatsoberhaupt gewählt. Nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 dürften CDU und SPD gemeinsam jedoch weder über eine Mehrheit im Bundestag verfügen, noch durch politische Bande in einer Koalition  verbunden sein. Es könnte Schwarz-Grün geben. Und ob der Sozialdemokrat Steinmeier  unter geänderten Verhältnissen im Februar 2022 wiedergewählt würde, ist offen. Sollte Van der Bellen eine zweite Amtszeit anhängen, wird er sich ein bis zwei neue Präsidenten-Freunde suchen müssen. Das ist die Erkenntnis aus seinen Sondierungen dieser Tage  in Berlin und in Rom. 

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