Wer Van der Bellen angeloben wird
Er ist 34, hat bei den ÖBB Elektriker gelernt und fiebert gerade einem Ereignis entgegen, das sicher einen Höhepunkt in seinem Leben darstellen wird: Mario Lindner aus Hieflau bei Liezen wird vor der feierlichen Bundesversammlung im altehrwürdigen Reichsrats-Sitzungssaal am 8. Juli dem künftigen Bundespräsidenten der Republik Österreich das Amtsgelöbnis abnehmen.
Plötzlich Bundesrats-Vorsitzender
Ein Mix aus Zufällen und republikanischen Gepflogenheiten bescheren dem sozialdemokratischen Gewerkschafts-Jugendlichen aus dem obersteirischen Dorf den prestigeträchtigen Auftritt. Nach der steirischen Landtagswahl vor einem Jahr wurde Lindner als einer von neun steirischen Bundesräten in die Länderkammer entsandt. Und weil zufällig die Steiermark ab 1. Juli 2016 von Salzburg den Vorsitz in der Landeshauptleute-Konferenz übernimmt, steht der steirischen SPÖ als stärkster Landespartei die "Präsidentschaft" im Bundesrat zu. Und weil bei den Sitzungen der Bundesversammlung, also der gemeinsamen Tagung von Nationalrat und Bundesrat, die Gepflogenheit herrscht, dass sich Nationalratspräsident und Bundesratspräsident im Vorsitz abwechseln, und weil die letzte formelle Bundesversammlung von der damalige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer geleitet wurde, fällt diesmal der Vorsitz dem Bundesrat zu.
Mario Lindner, also.
Das Büro des designierten Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen hat schon mit ihm Kontakt aufgenommen, um die Angelobung vorzubereiten. An seinen beiden Reden am 8. Juli vor der Bundesversammlung – eine zum Dank an Heinz Fischer, die andere vor der Angelobung Van der Bellens – feilt Lindner bereits. In der obersteirischen Heimat hat sich die Kunde von dem ehrenvollen Auftritt für den Landsmann längst herumgesprochen. "Als die Stichwahl auf Van der Bellen fiel, haben mir Freunde gratuliert, dass ich nicht Norbert Hofer angeloben muss", erzählt Lindner. Einige hatten ihm geraten, für den Fall des Hofer-Siegs vor dem Spiegel ein grimmiges "Klestil-Gesicht" zu üben. Lindner: "Ich hätte das aber nicht gemacht, ich hätte Hofer genauso feierlich angelobt."
Lobbying für die Heimat
Mit seinem sonstigen Dasein als Bundesrat ist Lindner zufrieden. Der Bundesrat habe "ein Super-Netzwerk", seine Mitglieder hätten sowohl direkten Zugang zu den Landtagsklubs als auch zu den Ministern in Wien. Lindner: "In Liezen wirke ich an den politisch-strategischen Planungen für die Region mit, und als Bundesrat kann ich in Graz und in Wien für die regionalen Ziele lobbyieren." Lindner zählt zu den überzeugten Anhängern des steirischen Reform-Wegs: "Bei mir zu Hause haben wir vier Gemeinden zusammengelegt. Das spart alljährlich 100.000 Euro: drei Bürgermeister, drei Vizebürgermeister, drei Gemeindekassiere, 27 Gemeinderäte. Der Unmut über die Zusammenlegung ist längst verflogen, die Einsparung bleibt."
Bundespolitisch lautet Lindners derzeitiges Lieblingsprojekt "Zivilcourage im Internet": Er will einen Ratgeber erstellen, was Internet-User tun können, wenn sie auf Hass-Postings stoßen. Der Bogen reicht von sachliche Gegenargumente posten, an Facebook melden bis zu Behörden einschalten. Außerdem will er Bewusstseinsarbeit leisten, dass die User nicht gedankenlos alles unterstützen: "Erst denken, dann liken." Lindner glaubt, dass es auch der FPÖ ein Anliegen sei, die Hasspostings in den Griff zu kriegen.
Engagiert ist Lindner auch für die Rechte von Homosexuellen. Für den letzten Landler-Kirtag in Liezen hat er Conchita Wurst als Stargast gewonnen, bei der Regenbogen-Parade in Wien wird Lindner als Redner auftreten. Er selbst hat zwar noch keinen Lebenspartner gefunden, er wünscht sich aber, dass Ehe und Adoptionsrecht für alle gleich werden.
ÖVP-Zündler scheitern an Strache
In der ÖVP laufen Zündler mit einer Umfrage herum, wonach Sebastian Kurz als ÖVP-Spitzenkandidat bei einer Nationalratswahl auf 35 % käme. Die Umfrage hat nur einen Haken: Es gibt keine Nationalratswahl. Sie müsste erst vom Zaun gebrochen werden, und so ein taktisches Manöver anstatt zu arbeiten würde bei den Leuten gar nicht gut ankommen. Die ÖVP hat bereits zwei Mal versucht, mit vermeintlich guten Umfragen das Kanzleramt zu erobern – und ist beide Male auf die Nase gefallen. 1995 unterlag Wolfgang Schüssel gegen Franz Vranitzky, 2008 Wilhelm Molterer gegen Werner Faymann. Wenn die ÖVP-Zündler jetzt die Koalition sprengen, bekommt die 35 % wohl eher Heinz-Christian Strache. Und der hat schon mitgeteilt, dass er sich das Kanzleramt keinesfalls wegverhandeln ließe.
Kommentare