Weißer Spritzer statt Rot mit Blau

Kanzler Christian Kern und Bürgermeister Michael Häupl
Nicht nur Häupl, sondern auch Kern erteilt Koalition mit FPÖ eine klare Absage.

"Ist das dein Stammlokal?" "Das kann man so sagen", antwortet Wiens Bürgermeister prompt. Quasi kurz vor Michael Häupls "Dienstschluss" – wer erinnert sich nicht an sein legendäres Lehrer-Bashing: "Wenn ich 22 Stunden die Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig und kann heimgehen" – lud er Kanzler Christian Kern in sein Lieblingslokal Urbanek am Wiener Naschmarkt ein. "Beim Urbanek war ich noch nie", gestand Kern.

Eigentlich hätte es eine entspannte Runde bei Prosciutto und einem Glaserl Wein Dienstagmittag werden sollen. Entspannt wurde es nicht. Es herrschten klaustrophobische Zustände.

Auf neun Quadratmetern drängten sich gefühlt hundert Fotografen um das Trio Kern, Häupl und Vizebürgermeisterin Renate Brauner. "Der Rummel ist schon interessant. Wenn ich am Samstag mit Sonnenbrille am Naschmarkt einkaufe, passiert gar nichts", kommentierte Kern das Gedränge.

Vor "Lex FPÖ"

Nachhaltig störte aber aus der Ferne Vorarlbergs SPÖ-Klubchef Michael Ritsch die kulinarische Runde. In den Vorarlberger Nachrichten tat er kund, dass der SPÖ-Kriterienkatalog zur Bildung künftiger Koalitionen in der finalen Phase sei. Zwischen den Schmankerln war damit das Thema einer allfälligen rot-blauen Koalition wieder am Tapet. Laut Ritsch werden künftig Bund, Länder und Gemeinden in der SPÖ selbst entscheiden, wer als Koalitionspartner infrage kommt. Ist damit der Weg frei für eine rot-blaue Koalition auf Bundesebene? Nein, sagen Kern und Häupl unisono.

Der Kriterienkatalog soll eine "gewisse Verbindlichkeit" haben, so der SPÖ-Chef. Künftig soll aber auf jeder Ebene geprüft werden, mit wem eine Koalition eingegangen wird. Es sollte jedenfalls kein Projekt sein, um den Weg für eine rot-blaue Koalition auf Bundesebene zu ebnen: "Das können Sie abhaken. Das wird nicht so sein", meinte Kern.

Beschlüsse halten

Auch von Häupl kam eine klare Absage. Er verwies darauf, dass es bestehende einstimmige Beschlüsse der Bundespartei und mancher Landesparteien gegen eine Koalition mit der FPÖ gebe. "Es geht nicht um eine Ausgrenzung der Freiheitlichen, sondern darum, dass es nicht genügend inhaltliche Überschneidungspunkte gibt. Es geht halt ned."

Aber zurück zur Tour, die Kern ausdrücklich nicht als verfrühten Wahlkampf sehen will. "Sie werden sich noch eineinhalb Jahre gedulden müssen, dann werden Sie wirklichen Wahlkampf erleben", sagt der Kanzler.

Vom Naschmarkt ging es weiter in das Kaffeehaus Vollpension. Hier haben 20 Pensionisten einen Job als Kuchenbäckerinnen oder im Service als geringfügig Beschäftigte gefunden. So wie der Herr Karl. Mit 40 Dienstjahren als Fleischhacker in Österreich und Kanada bekommt er gerade einmal 600 Euro Pension. "70 Personen stehen auf der Warteliste, die sich ihre kleine Pension aufbessern möchten", erzählt eine der Chefinnen.

Statt einer Melange bestellte Häupl lieber einen G'spritzten. Und Kern benutzte die Gelegenheit, um zwischen Pensionisten und leckeren Kuchen die sinkenden Zuschüsse für die Pensionen von 80 Millionen Euro zu thematisieren. All jene, die sagen, das Pensionssystem befände sich kurz vor dem Zusammenbruch, sollten sich die Zahlen "intensiv" ansehen.

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